Profil 9/2023

PROFIL // Frauen

44 PROFIL / DBB-Seiten Tatsächlich ist die wichtigste Empfeh lung der Studie ebenfalls die Verein barkeit von politischem Engagement mit Beruf sowie Familien- und Privat leben. Im Detail: angemessene Sit zungszeiten, das abgesprochene Sit zungsende einhalten, keine Beschlüs se nach der Sitzung, diskriminierungs freie Diskussionskultur und mehr digi tale Formate. Ein oft unterschätzter Faktor ist der Ort der politischen Mit ressierte ihre Vorstellungen wieder fi n den und einbringen können. „Zusätz lich muss die jeweilige Lebenswirklich keit auch in den einzelnen Lebenspha sen der Menschen bei den Mitwir kungsmöglichkeiten berücksichtigt werden: Es ist eben ein Unterschied, ob man sich als Mensch zu Beginn sei nes Berufslebens, als Mutter oder Va ter, als p fl egende Person, in der Phase der Familiengründung oder am Ende seines Berufslebens engagiert.“ Auch bei den Befragten der Studie besteht geschlechterübergreifend Konsens, dass es notwendig ist, die politische Arbeit besser an die verschiedenen Lebenswirklichkeiten anzupassen. Ebenfalls als wichtige Maßnahme nen nen die Befragten verbindliche Frauen quoten und Parität. Hier scheiden sich allerdings die Geister: Während 72 Prozent der Frauen für eine verbindli che Frauenquote sind, unterstützen dies nur 41 Prozent der Männer. Für Helene Füllgraf vom Sprecherinnenrat der BAG LiSA (Linke Sozialistische Ar beitsgemeinschaft der Frauen in der Partei Die Linke), ist soziale Gerechtig keit ein zentraler Anspruch: „Als Mo tor, dem Ziel einer gleichberechtigten diskriminierungsfreien Gesellschaft näher zu kommen, die niemanden ausschließt, gehört die Beteiligung von Frauen. Deshalb gilt Parität für alle Funktionen und Mandate. Um politi sche Arbeit für Frauen attraktiver zu gestalten, ist es unumgänglich, darauf zu achten, dass sich Frauen mit ihren Anliegen in dieser wieder fi nden.“

bestimmung: Statt in dunklen Knei pen am Stadtrand kann Politik auch in gut erreichbaren Kulturzentren in der Stadt besprochen werden. Zu dem sei entscheidend, dass Themen, die Frauen interessieren, nicht mehr hinten angestellt werden. Darüber hi naus emp fi ehlt die Studie, Mentoring programme auszubauen, die Frauen auch auf die Machtkämpfe in den Parteien vorbereiten. Parteien sollten die Möglichkeit bieten, sich nach Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit schnell wieder eingliedern zu können. Frauenorganisationen in Parteien kommt die tragende Rolle zuteil, Frauen besser zu vernetzen und sich gegenseitig zu fördern. Die zweite große Stellschraube ist der Einsatz gegen Diskriminierung und sexuelle Belästigung. Tatsächlich ha ben 40 Prozent der befragten Politi kerinnen schon Erfahrungen mit se xueller Belästigung gemacht. Die Stu die schlägt sogenannte „Awareness Teams“ vor, die insbesondere auf Veranstaltungen für Fehlverhalten sensibilisieren und als Ansprechpart ner im Falle eines Übergri ff es fungie ren. Manche Parteien setzen solche Teams bereits ein, was von allen sehr gut aufgenommen wird. Bei sexisti schen Angri ff en im Netz braucht es zudem bessere gesetzliche Regelun gen zur Anzeige und Verfolgung. Den Status quo nicht hinnehmen Insgesamt bewegen sich die Parteien in die richtige Richtung. So ist die gro ße Mehrheit der Befragten geschlech terübergreifend der Ansicht, dass die

eigene Partei erhebliche Anstrengun gen unternimmt, den Frauenanteil in verantwortlichen Positionen zu erhö hen. Beispiel: Die CDU hat auf ihrem vergangenen Parteitag Werkzeuge für moderne und attraktivere Parteiarbeit verabschiedet: „Dazu gehören bessere digitale Möglichkeiten der Mitwirkung sowie die politische Elternzeit für eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Be ruf und Ehrenamt“, berichtet Annette Widmann-Mauz (MdB), Vorsitzende der Frauen Union der CDU. „Seit dem 1. Januar 2023 gilt unsere verbindliche Frauenquote.“ Ulrike Scharf, Bayerische Staatsminis terin für Familie, Arbeit und Soziales, zeigt sich ebenfalls kämpferisch: „Der Frauenanteil in der Politik ist immer noch viel zu gering, den Status quo werden wir nicht als gegeben hinneh men.“ Scharf ist zusätzlich zu ihrem Ministerposten auch Vorsitzende der Frauen Union der CSU. „Starke Politik braucht starke Frauen, die sich auch gegenseitig fördern.“ Für die Zukunft fordert dbb frauen Che fi n Kreutz von den Parteien mehr Einsatz für den politischen Kulturwan del: „Um die Veränderungen in den Parteikulturen zu bewirken, müssen aber auch die Männer am selben Strang ziehen. Das wird nicht einfach, da Männer vom Status quo pro fi tie ren.“ Mentoring-Angebote müssten ausgebaut und bekannter gemacht werden. „Für die Parität brauchen wir gesetzliche Regelungen, um die Lücke zwischen Demogra fi e und Repräsen tation zu überwinden.“ dsc

Einschätzung der Karrierechancen innerhalb der Parteien nach politischer Ebene und Alter

© EAF Berlin/Institut für Demoskopie Allensbach (3)

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