Profil 9/2023
PROFIL // Demokratiebildung
Demokratie in der Krise und die Folgen für das Bildungssystem
von Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin & Prof. Dr. Klaus Zierer S elten in der jüngeren Geschichte der Menschheit gab es eine der artige Ballung von epochaltypi schen Herausforderungen: Klima-Kri se, Corona-Pandemie und nun der Ukraine-Krieg. Die Menschheit und die Politik verharrt im Krisenmodus. Alle Länder der Welt sind betro ff en und in ihrer politischen Praxis heraus gefordert. Eine derartige Flut an Problemen tri ff t auch die verschiedenen Staatsfor men. In Diktaturen, wie in China oder Russland, wird anders mit Krisen um gegangen als in Demokratien, wie in der Schweiz oder in Deutschland – und so werden epochaltypische He rausforderungen auch zur Bewäh rungsprobe der politischen Systeme. Wie viel globale Kooperation über un terschiedliche Staatsformen hinweg ist erforderlich, um diese Mensch
heitskrisen zu bewältigen? Gegenwär tig kippt die Stimmung in Richtung De-Globalisierung, gerade im Aus tausch mit Diktaturen und Autokra tien. Dies ist ein gefährlicher Trend, an dessen Ende sich die Welt womög lich wieder in zwei Blöcke teilt, deren Grenze mitten durch Europa verlau fen wird, erstarrt in einem neuen kal ten Krieg, der jederzeit zu einem hei ßen Nuklearkrieg eskalieren kann. Die angesprochene Bewährungspro be ist für politische Systeme doppel deutig. So ist beispielsweise die De mokratie in der Krise gefordert, unter spannungsreichen Bedrohungen zu agieren, gleichzeitig kann sie selbst in die Krise geraten. An den drei ge nannten Problemen lässt sich das zei gen: Maßnahmen zur Eindämmung
des CO 2 -Auststoßen gefährden in Ge stalt von Preiserhöhungen und Ein bußen an Komfort und Mobilität die Unterstützung durch die Bevölke rung. Während der Corona-Pandemie erstarkte eine Querdenker-Szene, die zunächst aus Skepsis und legitimer Kritik entstanden war, aber zuneh mend anti-staatliche und anti-demo kratische Bewegungen hervorbrach te. Auch der Ukraine-Krieg spaltet die Gesellschaft zusehends hinsichtlich der Fragen, welches Maß an Solidari tät die Ukraine einfordern kann und ob Wa ff enlieferungen sinnvoll sind. Bewegt man sich in den verschiede nen Lagern, so hört man nicht selten: Mit Demokratie hat die Gegenpositi on nichts zu tun. Gegenteilige Mei nungen werden folglich als Angri ff auf die Demokratie gewertet.
Foto: AdobeStock
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