Profil 9/2023

PROFIL // Debatte

In der Mai-Ausgabe von Pro fi l schrieb der Autor Michael Felten über Prüfungen und Prüfungsformate und betonte, dass Schule nicht nur Bildungsprozesse anrege und fördere, sondern auch Zugangsberechtigungen zu vergeben habe – und daher Prüfungen mindestens ab und zu Lernstand und Leistungsfähigkeit individuell feststellen müssten. In dieser Ausgabe geben wir als eine Reaktion auf diesen Text die Zuschrift des Philologenverbandsmitglieds Niels Winkelmann aus Niedersachsen zum Thema Prüfungen wieder. Die Position des DPhV fi nden Sie im Papier des Bildungspolitischen Ausschusses »Digital unterstützte Aufgaben und Prüfungen – eine Chance, die richtig genutzt werden muss«, das wir in der vergangenen Ausgabe 07-08/2023 abgedruckt haben.

Auch Prüfungen sollen stärken Zuschrift von Niels Winkelmann

30 PROFIL // 9/2023 digitalen Produkten kann ich an hand sichtbarer Zwischenstände präzises Feedback geben, nicht nur rückblickend, sondern im Lernpro zess lernförderliches Feedback Daher nutze ich zusätzliche Wege, wie Lernen sichtbar wird. Mit Portfo lios können Lernende ihren Lern prozess gut deutlich machen, mir als Lehrer, aber auch sich selbst. So be kommen wir auch einen anderen Blick auf ihre Fähigkeiten und Talen te. Natürlich geht es um Lernprozes se, aber auch um die Menschen da hinter, die ich in der persönlichen Entwicklung begleite. Spannend für Lernprozesse und Persönlichkeitsentwicklung sind vor allem digitale Lernprodukte. Pro duktionsorientierung war zwar 90er Jahre-Mode, eignet sich aber im digi talen Kontext besser als je zuvor: Bei konzipieren? Dabei mache ich trans parent, dass diese Leistungsmes sungen künstliche Situationen sind. Ich möchte als Prüfer den Lernstand der Prü fl inge zwar objektiv sichtbar machen, aber Prüfungsnoten sind nur bedingt aussagekräftig, wie Pro fessorin Anke Langer von der TU Dresden erläutert: »Sie sind Mo mentaufnahmen, zeigen, wie gut Wissen zu einem bestimmten Zeit punkt abgerufen werden kann.« [1] Lernen eigenständig sichtbar machen mit Portfolios und digitalen Lernprodukten

Spätestens da wurde klar, warum ich prüfe, wie ich schon lange prüfe: wohlwollend und stärkend. Prüfungen als (künstliche) Form transparent machen Deshalb thematisiere ich nicht nur die Inhalte der Prüfung, sondern auch die Form: Wie kann man mündliche Prüfungen gut meistern, souveräne Präsentationen halten oder Klausurtexte überzeugend

»Ich prüfe so, wie ich unterrichte: Schülerinnen und Schüler sollen zei gen können, was sie draufhaben!«, hörte ich mich sagen. Ich hatte mei nem Leistungskurs von meiner eige nen schlechten Prüfungserfahrung im Examen, den tückischen Fragen des Prüfers und meinem früheren Psychologieprofessor erzählt, der davon ausging, dass solche Fragen jeden aus dem Konzept bringen können.

Lehrkräfte wollen den Lernstand objektiv sichtbar machen, Prüfungs noten sind dabei eine Momentaufnahme. Alternative Prüfungsforma te probieren für diesen Moment unterschiedliche Rahmenbedingun gen aus – z.B. einen kurzen Austausch der Schülerinnen und Schüler zu Beginn einer Klausur oder Open-Book-/Open-Media-Konzepte.

Foto: AdobeStock

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