Profil 9/2022
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Öffentlicher Dienst Es fehlen 360000 Beschäftigte Die Zahl der Aufgaben des öffentlichen Dienstes wächst schneller als die der Beschäftigten. Damit der Staat handlungs fähig bleibt, fordert der dbb Chef einen Zukunftsfonds.
N ach Einschätzung un serer 40 Mitgliedsge werkschaften fehlen 360 000 Beschäftigte. Dabei berücksichtigen wir nicht nur offene Stellen, sondern auch den Personalbedarf, der sich durch neue Aufgaben ergibt“, erklärte der dbb Chef Ulrich Silberbach im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Ausgabe vom 18. August 2022). Trotz Personal- beziehungsweise Stellenzu wachs in einigen Verwal tungsbereichen ist der Fehl bestand demnach zuletzt er neut um etwa 30 000 Fach kräfte gestiegen. Wenn in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge altersbedingt ausscheiden, werde der Personalmangel sogar noch deutlich größer, betonte Silberbach. Von Bund, Ländern und Kom munen forderte der dbb Bun desvorsitzende deshalb kon krete Maßnahmen: „Zwei Dinge sind sehr wichtig: Zum einen brauchen wir endlich eine langfristige Personalpla nung in der Verwaltung, die den demografischen Wandel berücksichtigt. Wir müssen schon jetzt Stellen schaffen, um kommende Generationen auf die anstehenden Aufga ben vorzubereiten. Zum an deren müssen wir den öf fentlichen Dienst durch An reizsysteme attraktiver ma chen.“ Der dbb wolle schon lange eine echte Qualifizie rungsoffensive und eine leis tungsgerechte Bezahlung. „Wer sich weiterbildet, soll mehr bekommen“, so Silber bach.
Im europäischen Vergleich ha be Deutschland heute, gemes sen an der Wirtschaftsleis tung, geringe Ausgaben für den öffentlichen Dienst und beschäftige im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weniger Menschen beim Staat als viele Nachbarländer. Eine Folge die ser Sparpolitik sei, dass in den vergangenen zwei Jahrzehn ten viele Staatsaufgaben nicht erledigt worden seien. „Wir bekennen uns zur Schul denbremse. Wir sehen aber auch, dass Deutschland einen enormen Investitionsstau in der Infrastruktur hat. Deshalb sollte der Bund dafür ein Son dervermögen bilden, das nicht in die Schuldenbremse einge rechnet wird“, forderte der dbb Chef. Diese Aufgaben dürften nicht einfach den folgenden Generationen über lassen werden. „Deshalb ist ein solcher Zukunftsfonds nötig.“ Darüber hinaus mahnte Sil berbach die Politik, bei ihren Vorhaben die Umsetzung durch die Verwaltung stärker in den Blick zu nehmen: „Wer Gesetze verabschiedet, die nicht vollzogen werden kön nen, fördert letztlich Staats verdrossenheit und Querden kertum.“ Dem öffentlichen Dienst drohe bereits heute permanent die Überforde rung, weshalb der dbb auch die jüngst diskutierte Übertra gung immer neuer Aufgaben – wie etwa die Kontrolle einer Impfpflicht oder der Einfüh rung von Englisch als zweite Amtssprache – ohne entspre chende Personalausstattung abgelehnt habe. ■
Personalbedarf nach Sparten Die folgenden Angaben gründen auf Einschätzungen der 40 dbb Fachgewerkschaften. Die im Juli 2022 zusammengestellten Zahlen zeigen, wie sich der seit Jahren anwachsende Personalmangel in den einzelnen Sparten des öffentlichen Dienstes auswirkt. Die Politik muss endlich Prioritäten setzen und für eine aufgabengerechte Per sonalausstattung sorgen.
Sparte
Bedarf
Bundespolizei
27 000
Landespolizei
28 000
Steuerverwaltung
30 000
Zoll
5 600
Schulen*
42 000
Kommunalverwaltungen (allg. Verwaltung, Ausländerbehörden, Bauämter, Jugendämter, Ordnungsämter, Sozialämter / Soziale Arbeit, Feuerwehren, Kitas**
165 400
Öffentlicher Gesundheitsdienst
8 500
Kranken- und Altenpflege
47 000
Arbeitsagenturen / Jobcenteer
1 700
Justiz (Justizvollzug, Verwaltung)
3 700
358 900
* Ohne Berücksichtigung des zusätzlichen Bedarfs durch weitergehende Konzepte zur Ganztagsbetreuung ** Allein bei den Kitas fehlen aktuell über 70 000 Beschäftigte
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> PROFIL | dbb-seiten | September 2022
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