Profil 9/2022
PROFIL > interview
Foto: Bildung Bremen
Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD)
»Man muss zwischen Realität und Propaganda unterscheiden«
Die Juristin Sascha Aulepp (52, SPD) ist seit 2021 Senatorin für Kinder und Bildung der Freien Hansestadt Bremen >
heraus. Welche Konzepte und Maßnahmen haben Sie dabei zur Qualitätssicherung der schulischen Bildung entwi ckelt? AULEPP: Wichtig ist ein gutes Angebot von Fort- und Wei terbildungen, kollegialer Aus tausch und Beratung und die partizipative Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen. Dabei werden die Schulen von der senatorischen Behör de und vom Landesinstitut für Schule unterstützt. An fang des Jahres haben wir das eigenständige Institut für Qualitätsentwicklung (IQHB) gegründet, das die Qualität an den Bremer Schulen syste matisch erfassen und mit sei ner Fachkompetenz die Schu len bei der Auswertung der Erkenntnisse unterstützen soll. Nicht zuletzt geht es auch darum, der Bildungsbe hörde Verbesserungen zu empfehlen. PROFIL: Sind Quer- und Sei teneinsteiger DIE Antwort auf den Lehrkräftemangel? AULEPP: DIE Antwort auf Lehr kräftemangel ist Lehrkräfte ausbildung. Bremen macht da jetzt schon überproportional viel, und wir wollen das noch steigern. Aber wir brauchen Zwischenlösungen. Deshalb werden wir die Schulen als Ar beitsort für Menschen öffnen, die aufgrund ihrer Qualifikati on bislang nicht eingestellt wurden.
PROFIL: Stichwort Qualitätssi cherung: Das bremische Abi tur hat seit jeher im Bundes vergleich ein minderes Anse hen. Wie können und möch ten Sie dem entgegenwirken? AULEPP: Das Bremer Abitur ist ebenso wie das Abitur in an deren Bundesländern auch ein Zentralabitur. Die hier ihr Abitur gemacht haben, kom men auch nicht schlechter zu recht im weiteren Leben. Man muss zwischen Realität und Propaganda unterscheiden. PROFIL: Es gibt unübersehba re Abwanderungstendenzen von Lehrkräften aus Bremen und Bremerhaven. Wie kön nen Sie die Attraktivität des Lehrberufes allgemein sowie die Attraktivität des Arbeits platzes Bremen/Bremerhaven stärken? AULEPP: Probleme haben wir in den Randbereichen und im abgelegenen Bremerhaven. Auch bei diesem Thema emp fiehlt es sich, zwischen Reali tät und Propaganda zu unter scheiden, eine generelle Ab wanderung nach Niedersach sen gibt es nicht. In Bremen binden wir Studie rende schon frühzeitig in die Schulen ein, sie lernen die Kollegien kennen und schät zen. Die Kollegien haben auch für unsere Referendare eine hohe Haltekraft. Und nicht zuletzt werden in Bremen alle Lehrkräfte, egal ob sie in der
Grundschule, der Oberschule oder dem Gymnasium arbei ten, gleich nach EG13/A13 bezahlt. PROFIL: Qualitätssicherung bedeutet aus Sicht des DPhV auch, dass wir in intakten, modernisierten Schulgebäu den arbeiten können. Wie wollen Sie den Sanierungs stau der Schulgebäude ange hen? AULEPP: Mit Hochdruck. Sie haben natürlich recht, und vieles läuft nicht so schnell, wie ich es mir wünsche. PROFIL: Studien zur Lehrkräf tearbeitszeit und -gesund heit zeigen eine besonders durch die Digitalisierung deutlich forcierte Verdich tung von Arbeitsaufgaben und Entgrenzung von Ar beitszeit. Durch welche Maßnahmen können Sie hier für Entlastung und Unter stützung der Lehrkräfte sor gen? AULEPP: Wir müssen ge meinsam mit den Beschäf tigten und dem Personalrat beständig darüber reden, ob, wo und wie wir Entlastung organisieren können und müssen. Natürlich auch in Bezug auf den Digitalisie rungsquantensprung, den wir in Bremen gemacht ha ben und für den wir auch von den Kolleginnen und Kollegen an unseren Schulen sehr gelobt werden. ■
von KAROLINA PAJDAK
Bremen – Sie arbeitete viele Jahre als Richterin, doch seit Sommer 2021 ist Sascha Au lepp (52, SPD) Bildungssena torin von Bremen. Im Inter view mit PROFIL erklärt die SPD-Politikerin, was für sie ei ne gute Lehrkraft ausmacht und wehrt sich gegen den schlechten Ruf des Abiturs aus Bremen. PROFIL: Senatorin Aulepp, stellen Sie sich vor, Sie wären Lehrerin. Was würden Sie wo gern unterrichten und wa rum? SASCHA AULEPP: Etwas, was ich gut kann und was mir Spaß macht, also Deutsch oder Englisch, gewiss nicht Mathe oder Physik. PROFIL: Was macht für Sie eine gute Lehrkraft aus? AULEPP: Sie muss anhaltend engagiert sein, emphatisch zu den Kindern und auch das pädagogische Handwerks zeug beherrschen. Dann kann sie den Spaß am eigenen Fach und die Lust am Lernen am besten an die Schülerin nen und Schüler vermitteln. PROFIL: Der Lehrerberuf hat sich stark verändert. Digitale Lehr- und Lernformen, ein verkürztes Referendariat, die notwendige Einbindung von Quereinsteigenden u.v.m. fordern das System und jede einzelne Schule und Lehrkraft
32
> PROFIL | September 2022
Made with FlippingBook Learn more on our blog