Profil 9/2022
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Ideologie bremst Verbesserung aus
ten dürfen nur mit etwa fünf zig Prozent zur Zeugnisnote beitragen. Im Kurssystem in Klasse 11 und 12 werden aber auf einmal in allen Fächern Klausuren mit mindestens 90 minütiger Länge geschrieben. Dort wird die Klausurnote mit einem Drittel zur Endnote (Grundkurs) gezählt. Ein durchgängig gestaltetes Sys tem von einheitlichen Stan dardsicherungen mit ehrli
chen Rückmeldungen an die Schülerinnen und Schüler und den entsprechenden Noten wäre ein erster einfacher Schritt. Nur wenn man regel mäßig die Geschwindigkeit misst, kann man feststellen, ob die Maßnahmen, die man ergreift, auch die Geschwin digkeit erhöhen. Zielführend wäre dann, den Mechanikerin nen und Mechanikern, die mit großem Einsatz am Motor ar
beiten, mehr Zeit zu geben. Die Entlastung der Lehrkräfte wäre ein zweiter Schritt, da mit diese Zeit für die Entwick lung ihres Unterrichts haben. Hilfreich wäre auch Zeit zur Zusammenarbeit. Aber an erster Stelle steht das Öffnen der Augen für das, was man von den Schülerinnen und Schülern will: eine höhere Leistungsfähigkeit. ■
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Es zeigt sich an diesem Bei spiel, dass die Prioritäten auf der politischen Ebene in Berlin nicht auf Leistungsverbesse rung gelegt werden. Ideologie und nicht überprüfte Haltun gen bestimmen das Vorgehen. Geld, das bekanntlich nur ein mal ausgegeben werden kann, wird für Projekte ver wendet, die andere Ziele ver folgen. Diese Ziele sind grund sätzlich immer sinnvoll, aber sie bringen die Schülerinnen und Schüler häufig nicht einer besseren schulischen Leistung näher. Schon der Begriff Leis tung oder gar Leistungsüber prüfung ist negativ besetzt. Wenn man die Schule mit ei nem Auto vergleichen würde, werden in Berlin die Sitze be sonders gepolstert, das Auto besonders farblich gestaltet, darüber gesprochen, ob noch mehr Lenkräder eingebaut werden müssen und wie die Sitze positioniert werden sol len. Der Motor wird aber nicht betrachtet und bei der nächs ten Geschwindigkeitsmes sung wird im Vergleich zu den anderen Autos festgestellt, dass man wieder bei den langsamsten war. Dass Sie mich nicht falsch ver stehen: Berlin hat besondere Herausforderungen. Ich bin auch dafür, dass ungleiche Dinge ungleich behandelt werden. Schulen in Brenn punkten brauchen eine noch viel größere Unterstützung. Ehrliche Rückmel dungen an Schülerin nen und Schüler Aber auch ohne viel Geld könnte man mit einem Fokus auf Leistung, ich nenne es jetzt besser Kompetenzzu wachs, viel erreichen. Gerade die ehrliche Überprüfung des ‘Könnens’ ist ein wichtiger Faktor. Berlin schreibt nur in den Kernfächern Klassenar beiten. Die schriftlichen No- >
Mögliche Stundentafel-Kürzung in Berlin DPhV warnt vor Schaden für Schülerinnen und Schüler, Mehrbelastung für Lehrkräfte
Berlin – Der Deutsche Philologenverband (DPhV) spricht sich deutlich gegen eine Ver kürzung der Stundentafel an Berliner Schu len aus. Eine Kürzung der Stundentafel dient weder den Schülerinnen und Schülern noch ihren Lehrkräften. Stundentafelkür zungen, d.h. weniger Pflichtunterricht zum Beispiel in Deutsch, Mathematik und Eng lisch, senken die Leistungsstandards. Zu dem müssen die zu wenigen Lehrkräfte pa rallel mehr Klassen bedienen. »Das ist un zumutbar für alle Beteiligten. Das Berliner Bildungsniveau würde noch mehr sinken«, kritisiert die DPhV-Vorsitzende Prof. Dr. Su sanne Lin-Klitzing. »Stattdessen muss in Berlin ein strukturiertes Modell zur Nach qualifikation für alle Lehrämter eingeführt werden, wie es beispielsweise in Sachsen mit Modell der TU Dresden der Fall ist.« »Wie sehr sich die Schülerleistungen auch noch einmal während der Pandemie ver schlechtert haben, zeigt sich gerade jetzt bei der Auswertung der VERA-Vergleichsar beiten. Immer mehr Grundschüler scheitern bei VERA schon an den Mindestanforderun gen. Bei den Sekundarschülern sieht es nicht besser aus!«, stellt Kathrin Wiencek, Vorsitzende des Philologenverbands Ber lin/Brandenburg, fest. Mehr qualifizierter Unterricht hat nach Auffassung des Verbandes einen positiven Effekt auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Weniger Unterrichtszeit im qualifizierten Fachunterricht hat jedoch einen entsprechend negativen Einfluss auf die Leistungsentwicklung. Die Befürchtung: Durch eine Stundentafelkürzung leiden die
Berliner Schülerinnen und Schüler nicht nur kurz- und mittelfristig, sondern langfristig unter weniger Unterricht und schlechteren Lernvoraussetzungen im Vergleich zu allen anderen Schülerinnen und Schülern im Bun desgebiet. Lin-Klitzing: »Setzt Berlin eine Stundenta felkürzung um, schafft der Stadtstaat noch schlechtere Bildungsvoraussetzungen für seine Schülerinnen und Schüler und provo ziert zudem zunehmend schlechtere Vo raussetzungen für eine Vergleichbarkeit mit den Abschlüssen anderer Länder. Das Ge genteil jedoch muss das erklärte Ziel der Bildungspolitik sein: Die gleichen Voraus setzungen für die Berliner Schülerinnen und Schüler wie für die Schülerinnen und Schü ler anderer Bundesländer müssen geschaf fen werden. Die Vergleichbarkeit muss also eher auf einem höherem Niveau abgesi chert werden, als dass grundlegende Abstri che in der Stundentafel gemacht werden.« Die DPhV-Bundesvorsitzende Lin-Klitzing weiter: »Es ist eine Milchmädchenrech nung, eine Stundentafelkürzung als Instru ment für eine bessere Unterrichtsversor gung in Zeiten des Lehrkräftemangels ein führen zu wollen. Vielmehr wird der Lehrer beruf durch eine solche Stundentafelkür zung in Berlin noch unattraktiver, da die Lehrkräfte dann mit noch mehr Klassen und noch mehr Arbeit überhäuft werden. Das Ergebnis: Weniger Unterricht für die Schü ler, mehr Arbeit für die Lehrkräfte: Dem er teilen wir eine klare Absage.« ■
Pressemitteilung vom 9. August 2022
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