Profil 9/2021

PROFIL > titel

Blick auf arktisches Meereis

Die Meere, das Klima und die Rechte kommender Generationen

Foto: Alfred-Wegener-Institut/Mario Hoppmann

Wenn Wissenschaft in die Schule kommt

regt werden, wenn man als WissenschaftlerIn auf einen Besuch vorbeikommt und sich und seinen Beruf direkt vor- stellt und ausfragen lässt.

Denn über die Methode selbst – wie erforscht man Unbe- kanntes, was wissen wir noch gar nicht, wie kommt man zum Nordpol oder in einen Tiefseegraben und wie sieht es da aus – setzt schon systemi- sches Denken auf mehreren vernetzten Ebenen ein. Foto: Alfred-Wegener-Institut/Esther Horvath Ich habe die Erfahrung ge- macht, dass die Bebilderung sehr hilft. Es ist nicht bei allen Themen einfach, Wissen visu- ell zu vermitteln, aber es lohnt sich sehr, es zu versuchen. Denn über die Augen lernt es sich gut. Kurze Videos von der Kraft der Wellen, von seltsa- mem Tiefseegetier, der Karte eines Tiefseeberges oder auch dem Schmelzen des Meereises unterstützen das Hören von Zahlen, Fakten, Einordnungen. Wo ein Prozess nicht direkt zu zeigen ist, helfen Animatio- nen, zum Beispiel von chemi- schen Reaktionen, die nur be- sondere Meeresbakterien kön- nen, oder von dem Ausbruch > Über die Augen lernt es sich gut

eines Tiefseevulkans, der Funk- tion eines Tiefseeroboters. Die zentrale Frage, die viele Menschen auch generations- übergreifend interessiert, ist die Rolle der Ozeane für die Erde und das Leben wie auch ihr Zustand. Was ist ihre Ge- schichte und wie geht sie wei- ter? Was ist der Einfluss des Menschen? Zunehmend fragen Schülerinnen und Schüler auch sehr traurige Fragen, die die Verunsicherung anzeigen: Werden die Meere und das Leben darin sterben? Dimensionen diskutieren Wenn ich vortrage, versuche ich erst einmal ein Gefühl für die Dimensionen der Ozeane, aber auch unseren Wissens- stand zu erzeugen. Im Ver- gleich aller Lebensräume der Erde wissen wir heute noch immer am wenigsten über die Meere. Das ist erstaunlich, denn sie sind ein essentielles Charakteristikum unseres Pla- neten, und ihre Funktion ist eng mit der Entstehung des >

von PROF. DR. ANTJE BOETIUS*

Bremerhaven – Als Polar- und Meeresforscherin ist es mein Beruf, Unbekanntes zu erfor- schen, dazu gehören sowohl neue Arten von Leben, wie auch unbekannte Unterwas- serlandschaften oder neue chemische Stoffwechselwege in den Meeren. Gleichzeitig bin ich Augenzeugin von massiver Veränderung der Ozeane durch den Einfluss des Menschen – sei es durch Klimawandel, Überdüngung, Überfischung, Meeresbodennutzung oder Vermüllung. Bei Wissen- schaftskommunikation direkt aus der Forschung hinein in die Schule habe ich die Erfahrung gemacht, dass man mit Kin- dern und Jugendlichen sehr leicht in gute Diskussionen kommen kann – wenn man den Einstieg in ein so fremdes Thema wählt wie die Rolle der Ozeane für unser Leben – über eine der stärksten Kräfte beim Lernen: die Neugierde. Die kann gleich mehrfach ange-

>

* Die Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (hier in der Lloyd Werft, Bremerha- ven) leitet seit 2017 das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Sie ist Pro- fessorin für Geomikrobiolo- gie an der Universität Bre- men sowie Leiterin der Helmholtz-Max-Planck Brückengruppe Tiefsee- Ökologie und -Technologie.

>

7

> PROFIL | September 2021

Made with FlippingBook Digital Publishing Software