Profil 7-8/2025

PROFIL // Titel

mit auch nach wie vor sehr glück lich. Ich habe das Studium kom plett fertig gemacht bis zum 1. Staatsexamen und bin allerdings nicht ins Referendariat gegangen und habe mir dann eine 100-Tage Challenge gesetzt: jeden Tag ein selbst geschriebenes Gedicht hoch laden. Dadurch kamen in den ers ten hundert Tagen die ersten 100000 Follower. Mittlerweile sind es eine Viertelmillion Follower auf Tiktok und Instagram. Es war für mich unerwartet, wie die Wege ver laufen sind, aber es war auch sehr schön! Jetzt ist es manchmal so, dass ich Bilder bekomme, wie mei ne Gedichte im Unterricht gelesen werden. Das freut mich so sehr, so dass ich den Eindruck habe, ich bin im Ende ff ekt schließlich doch jetzt schon in der Schule gelandet. Nach wie vor sehe ich den Lehrerberuf als ganz tolle Aufgabe. Ich liebe die Arbeit mit jungen Menschen. Auf Social Media erreiche ich mehr Menschen, in der Schule erreicht man wenige junge Menschen, aber in den meisten Fällen erreicht man sie enger. Die Liebe zu meinen Un terrichtsfächern ist nach wie vor groß, zu Deutsch wegen der Spra che natürlich, zu Spanisch aber auch, da ich ein Jahr in Spanien gelebt habe, zwischen Abitur und Studium. Ein Austausch ist ein wirklich großer Beitrag zur inter- kulturellen Kompetenz. Schülerinnen und Schüler, aber auch an Lehrkräfte und Eltern richten. Welche Ziele verfolgen Sie dabei? Welche Erfahrungen haben Sie damit bisher gesammelt? Lösel: Bildung ist für mich ein ganz wichtiges und zentrales Thema. Das bedeutet in meinem Falle: Ich möchte Jugendliche nicht nur über Social Media, sondern auch an den ? PROFIL: Sie wollen Work shops anbieten, die sich an

Schulen selbst erreichen. Meine Idee: Da ich viele Anfragen von Schulen bekomme, möchte ich im nächsten Jahr eine „Schul-Tour“ machen und dabei jeweils mit ei nem Jahrgang sprechen … über Bil dung und Sprache und deren Wich tigkeit und über Meinungsfreiheit. Es kann dabei auch um mentale Gesundheit, über Medienkom petenz gehen. Ich kann dabei auch über Schattenseiten reden, etwa über Hasskommentare, aber auch über Bestätigungen, ja, über die Schatten- und die Sonnenseiten von Social Media. Mein Ziel ist zu vermitteln: Sprache hat Macht und ist wichtig in unserer Gesellschaft. Sprache kann für junge Menschen ein so wichtiges Werkzeug sein. Junge Menschen sind nicht zu jung, um sich ö ff entlich zu äußern. Ich habe in den letzten Jahren in Klassenzimmern, in Workshops und in Lesungen mit jungen Men schen zusammengearbeitet, wozu auch Creative Writing gehört. zentrales Anliegen der moder nen Pädagogik – im Zeitalter von Fake News und eines häu fi g sehr unkritischen Internetkonsums. Wie sehen Ihre Hilfsangebote für junge Menschen aus? Lösel: Medienkompetenz wird in den nächsten Jahren noch wichti ger werden. Ich glaube, ich kann sehr authentisch „aus der ersten Reihe“ berichten und erzählen, wie ich auch in meinem Buch die bes ten und die schlimmsten Kommen tare wiedergebe, die ich bisher bekommen habe. Meine Texte und meine Workshops sollen aufmerksam machen, sollen aber auch dazu ermutigen, sich verletzlich zu zeigen. Es geht da rum, ins Gespräch zu kommen, ? PROFIL: Die Vermittlung von Medienkompetenz ist ein

nicht aber mit erhobenem Zeige- fi nger zu arbeiten, stattdessen Themen mit echten Geschichten zu verknüpfen. Mein Hauptanliegen: m i t jungen Menschen zu reden, nicht über sie.

PROFIL: Wie bringen Sie Ihre eigenen Erfahrungen aus

?

11 PROFIL // 7-8/2025 jungen Menschen sollen ihre Worte und Tage nutzen können, um jetzt und in der Zukunft etwas zu bewe gen.  Mit Clara Lösel sprach Walter Tetzlo ff dem gymnasialen Lehramtsstu dium in Ihre ö ff entliche Arbeit ein? Lösel: Hauptsächlich über meine Leidenschaft für das Thema Bil dung, weniger über meine beiden Fächer. Zuerst glaubte ich, dass niemand von den Jugendlichen sich für meine lyrischen Texte interessieren würde. Das dachte ich zumindest während der 100-Tage-Challenge. Wider Er warten kamen dann die ersten 100000 Follower, obwohl ich an fänglich glaubte, junge Leute hielten Lyrik und Literatur überhaupt für „uncool“. PROFIL: Ihre Arbeit verdient sicherlich breite Unterstüt- zung. Was wünschen Sie sich da für? Lösel: Ich danke Ihnen für diese Frage. Es gibt zwei Ebenen, darauf zu antworten: Für meine eigenen Projekte wün sche ich mir – ganz konkret – einen Partner für die Schul-Tour. Gesamtgesellschaftlich wünsche ich mir, weiterhin Bühnen zu bekom men für mein Anliegen, Jugendliche nicht „in der Wartezeit für das Le ben“ zu sehen, sondern als unsere Zukunft. Sie entsteht in Klassenzim mern und außerhalb davon. Die ?

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