Profil 7-8/2024

PROFIL // Hitler-Attentat

Und da sind wir beim zweiten emp fehlenswerten Buch: Ruth Ho ff mann geht unter dem Titel „Das deutsche Alibi“ der Verklärung und Instru mentalisierung des 20. Juli 1944 und der Person Stau ff enberg seit 1945 und bis heute nach. Sie widmet die ses Buch allen, „die nicht weg geschaut haben“, und zeichnet so spannend wie di ff erenziert nach, wie Stau ff enberg im Wechsel der politischen Zeitläufte beurteilt und auch zum Mythos stilisiert wurde und wird. Verräter oder Held, aris tokratischer Einzeltäter oder nur ein ,Beliebiger’ unter denen, die Wider stand leisteten – bis heute hält der Meinungsstreit an und ist verwoben mit den Bewertungen der deut schen Geschichte von links und rechts. In ihrer Einleitung schreibt Ruth Ho ff mann: „Wie wir das Ereig nis des ,20. Juli‘ heute beurteilen, ist kein gesellschaftlicher Konsens, son dern das Produkt einer wechselvol len Entwicklung voller Widersprü che, empörender Vereinnahmungen und beschämender Versäumnisse.“ (Ho ff mann, S. 13) Schauen wir also genau hin! Es lohnt sich. 

Foto: BACW

Die Gedenkstätte Plötzensee in Berlin zur Ehrung der Widerstandsgruppe

14 PROFIL // 7-8/2024 sein Lebensweg führte ihn in die Bundeswehr, er war Generalmajor. Er erzählt über seinen Vater – ein drücklich, sehr persönlich. Stau ff en berg wird als liebevoller Vater er fahrbar, der sein Leben einsetzte, um dem verbrecherischen Regime ein Ende zu setzen, nachdem er ge Was sagt uns dies alles heute, was kann es für die junge Generation be deuten? Vielleicht können zwei 2024 erschienene Bücher eine Brücke ins Heute bilden. Tim Pröse ist den Kindern der Atten täter begegnet, fast alle hochbetagt, naturgemäß mindestens 80 Jahre und älter. In seinem Buch „Wir Kin der des 20. Juli“ mit dem etwas sper rigen Untertitel „Gegen das Verges sen: Die Töchter und Söhne des Wi derstands gegen Hitler erzählen ihre Geschichte“ schildert er persönlich und durchaus auch emotional diese Begegnungen, führt Interviews und schlägt so diese familiären Brücken in die Gegenwart. Stau ff enbergs Sohn Berthold (Jahrgang 1934) zum Beispiel kommt ausführlich zu Wort,

zögert hatte – unter anderem wegen des Eides, den er als Soldat auf die Person Hitler geschworen hatte. So wird Stau ff enberg als Mensch hinter dem Attentäter sichtbar – und auch, welche Rückschlüsse die Kinder aus dem Geschehenen zogen. Peter Steinbach, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Wider stand in Berlin, resümiert: „Ein Erfolg seiner Tat, so viel ist sicher, hätte viele Menschen vor dem Tod be wahrt. Stau ff enberg wollte die Deut schen von Hitler befreien; danach hätten die Überlebenden ohne Zwei fel schwer um die Ausrichtung eines Nach-Hitler-Deutschlands gerungen. Was das Resultat gewesen wäre, wis sen wir nicht. Stau ff enberg aller dings zum Symbol des undemokrati schen Rückwärtsgewandten zu ma chen, weil er aus den Horizonten sei ner Zeit handelte, wäre unhistorisch. Und ebenso leichtfertig ist es, ihn zum Bannerträger unserer freiheitli chen Grundordnung zu erhöhen, die Resultat der militärischen Niederla ge Deutschlands war.“ (Pröse, S. 214)

Literatur

Peter Ho ff mann, Stau ff enberg und der 20. Juli 1944, Verlag C.H.Beck. München ²2007 Ruth Ho ff mann, Das deutsche Alibi. Mythos „Stau ff enberg- Attentat“ – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instru mentalisiert wird, Wilhelm Gold mann Verlag. München 2024 Tim Pröse, Wir Kinder des 20. Juli. Gegen das Vergessen: Die Töchter und Söhne des Wider stands gegen Hitler erzählen ihre Geschichte, Wilhelm Heyne Verlag. München 2024

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