Profil 4/2024

Die Profil Ausgabe 4/2024 mit dem Leitthema "Fit und innovativ in der Schule. DPhV-Kongress in Berlin" Jetzt lesen!

4 2024

DEUTSCHER PHILOLOGENVERBAND

DAS MAGAZIN FÜR GYMNASIUM UND GESELLSCHAFT

Fit und innovativ in der Schule DPhV-Kongress in Berlin

Wohlbe fi nden und Resilienz im Lehrberuf Fachtagung mit Gabriela Kasigkeit

Bayerische Philologen: Ein kritisches Ja zur Digitalisierung

Neue KMK-Präsidentin Christine Streichert- Clivot im Interview

PROFIL // Auf ein Wort

unterrichten. Es gibt (noch) keine klaren Aussagen, in welche Laufbahnen dies beamten- bzw. tarifrechtlich in den Ländern führen soll und ob und welche dieser länderspezi fi schen „Ausbil dungen“ in anderen Bundesländern zukünftig anerkannt werden. Es ist angesichts des Lehrkräftemangels eher unwahrscheinlich, dass diese „Auszubildenden“ in ihrem Bachelor adäquat von Men torinnen und Mentoren begleitet werden können. Es ist unklar, ob diese duale Entlohnung „auskömmlich“ sein wird, auch angesichts der Pendelei zwischen Universitäts- und Schulort, und ebenso, wie sich die Rechtssituation bei der Notengebung gestaltet, sollte ein solches „duales Lehramtsstudium“ nicht erfolgreich abge schlossen werden. Da die KMK in ihrer Ländervereinbarung von 2021 keine Mindeststandards für den Quer- und Seiteneinstieg ins Lehramt formuliert hatte, grundlegende Kompetenzen der Lehrkraft dort bereits mit „unterrichten, erziehen, betreuen und beraten“, statt „beurteilen und beraten“ beschrieben hatte, und sie die Erlangung von Studierfähigkeit auch nicht bei den all gemeinbildenden, sondern bei den beru fl ichen Schulen verortet hatte, muss man sich über diesen bislang vorliegenden Rahmen vermutlich nicht wundern, auch wenn – ich gestehe es – mein Er schrecken tatsächlich groß ist. Verwunderlich ist jedoch selbst un ter diesen Voraussetzungen, dass sich das vorliegende Papier nun gar nicht auf alle Schularten bezieht, sondern ausschließlich auf die Lehrkräftebildung für die weiterführenden Schularten. Damit wird nun auch für den letzten Idealisten deutlich, dass es wirklich nicht um positive Reformen, sondern nun, wo der Mangel im Grundschullehramt o ff enbar dem Ende entgegengeht und die Not in den weiterführenden Schulen groß und größer wird, da rum, mit diesen Vorschlägen eine möglichst schnelle Abdeckung des Unterrichtsbedarfs an eben diesen Schularten zu ermöglichen. Wie ein bereits im Bachelor unterrichtender Lehramtsstudieren der seinen Schülerinnen und Schülern die laut KMK-Richtlinien er forderlichen Fähigkeiten für die Gymnasiale Oberstufe, nämlich in seinen jeweiligen Fächern Wissenschaftspropädeutik, vertiefte All gemeinbildung und Studierfähigkeit, vermitteln soll, müsste – um in „KI-Sprache“ zu reden – wohl „halluziniert“ werden. Bislang um fasst ein solches Lehramtsstudium 360 akademisch erworbene ECTS-Punkte, ohne Einrechnung des darauf folgenden Referenda riats. Mit einem solchen Master oder Staatsexamen ist zudem die Promotionsberechtigung verbunden. Ich schließe daraus, dass ein solches Anforderungspro fi l von einem im Bachelor und Master dual ausgebildeten Lehramtsstudierenden nicht erfüllt werden kann. Eine solche duale Lehramtsausbildung scheidet somit für das gymnasiale Lehramt aus. Konsequent folgen müsste in einem solchen Szenario zudem die Erhöhung der Eingangsbesoldung für regulär und vollständig zweiphasig ausgebildete Lehrkräfte mit ihrer vollen Fakultas in zwei Fächern! Die KMK tagt im Juni erneut dazu. Ho ff en Sie mit mir, dass noch etwas zu retten ist!

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes

Die KMK kreißt,

liebe Kollegen und Kolleginnen, und gebiert in Zeiten des Lehrkräftemangels ein „anything goes“?

Die Not ist groß, der Lehrkräftebedarf hoch, je nach Land und je nach Schulart und Schulform noch einmal verschieden. Die Co-Vorsitzende der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission, Prof. Dr. Felicitas Thiel, warnt in dieser Situation gut begründet „vor der Einrichtung dualer Studiengänge, dem Perpetuieren von Sondermaßnahmen und einer weiteren Senkung der Zu gangsvoraussetzungen für künftige Lehrkräfte: ‘Eigentlich müss ten wir die Schwellen erhöhen’.“ (www.jmwiarda.de/2024/03/14/nicht-vom-mangel-treiben-

lassen/). Aber die KMK beschließt am 14.03.2024:  Die Quali fi zierung von Ein-Fach-Lehrkräften,  die Möglichkeit dualer Lehramtsstudiengänge  und ein Quereinstiegs-Masterstudium.

Sie erinnern sich: Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK hatte sich zwar auch zukünftig für Ein-Fach-Lehrkräfte ausgesprochen, aber mit dem Hinweis, dass diese sich in einem zweiten Fach berufsbegleitend universitär nachquali fi zieren sol len/können. Ein duales Lehramtsstudien hatte sie abgelehnt, und für einen „Q-Master“ keine unmittelbare Empfehlung gege ben. Die KMK versucht aufgrund der Situation, dass viele Länder bereits eigene Not-Maßnahmen eingerichtet haben, diese in Übereinstimmung mit dem Quedlinburger KMK-Beschluss zu bringen. Immerhin fi ndet man im KMK-Beschluss vom 14.03.2024 noch Sätze wie: „Die Einführung von zusätzlichen Maßnahmen bzw. Quali fi kationswegen über die grundständige Lehrkräftebildung hinaus ist immer mit einer Prüfung, ob und in wieweit diese zu verstetigen sind, verbunden“ und „Die Länder bieten diese Maßnahmen je nach länderspezi fi schem Bedarf an“. Zudem wollen die Länder einen ergänzenden Beschluss zur „Gestaltung von zusätzlichen Wegen ins Lehramt“ formulieren. Konstatieren können wir schon einmal ganz wertneutral: Bei die sen Vorschlägen geht es nicht um eine Verbesserung des regulä ren grundständigen Lehramtsstudiums. Denn die neuen Maßnah men sollen die bestehende Lehrkräftebildung ergänzen. Neben dem regulären grundständigen Lehramtsstudium zweier Fächer und Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaften sowie dem anschließenden Vorbereitungsdienst soll es nun als Rahmenmo dell auch ein verkürztes duales einphasiges Lehramtsstudium mit Entlohnung bereits während des Bachelorstudiums geben, weil auch die „Bachelorstudierenden“ bereits fest an den Schulen

Ihre Susanne Lin-Klitzing

3 PROFIL // 4/2024

PROFIL // Inhalt

DPhV-Standpunkte  DPhV warnt KMK vor Deprofessionalisierung in der Lehrkräftebildung 5  Jahresgespräch mit der Kultusministerkonferenz – Lehrkräftebildung braucht klare Standards 6 Titel  Fit und innovativ in der Schule – Gesund im Gymnasium 7 DPhV-Termine  Berufspolitischer Ausschuss: Ländertausch, KI und Schülerhandys 12  Bildungspolitischer Ausschuss: Was kommt nach PISA? 14 Interview  Christine Streichert-Clivot ist die neue KMK-Präsidentin 17  Zehn Fragen an Susanne Lin-Klitzing 27 Aus den Ländern  Bayern: Digitalisierung in Schule und Unterricht – Zeit für Rolle rückwärts? 31  Sachsen: Erfolgreicher Abiturient wird Olympiasieger 34  Schleswig-Holstein: Kirsten Schmöckel ist neue Vorsitzende 36 Buchtipp & Verlosung  Ann-Kathrin Brüseke: Hochsensibel im pädagogischen Berufsalltag 38 Glosse  Dummdeutsch für Fortgeschrittene 40 Impressum 40 Nachrichten dbb magazin  Bund stoppt Besoldungsanpassung: Gesetzentwurf auf Eis 41  P fl ege und Beruf: Erleichterungen für p fl egende Angehörige 41  Beamte: Verfahren zur Bundesbeihilfe wird vereinfacht 42

DPhV-Kongress in Berlin: Fit und innovativ in der Schule – Gesund im Gymnasium 7

Frühjahrstagung des Bildungs- politischen

Ausschusses: Was kommt nach PISA? 14

Interview mit der neuen KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot 17

Tarifpolitik

dbb magazin

Zehn Fragen an Susanne Lin-Klitzing 27

 Einkommensrunde TV-H: Hessen zieht mit anderen Bundesländern gleich

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Beamte

dbb magazin

 Beamten Basics – Fragen und Antworten: Ruhestand, Hinzuverdienst und Versorgung  Fall des Monats: Auslandstrennungsgeld trotz ‘verspäteter’ Heirat

46 46

4 PROFIL // 4/2024

dbb Vorsorgewerk

dbb magazin

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 Ratenkredit: Gute Konditionen fi nden

PROFIL // DPhV-Standpunkte

DPhV warnt KMK vor Deprofessionalisierung in der Lehrkräftebildung

Forderung: Lehrkräftebildung in zwei Phasen, in zwei Fächern und auf Sprachniveau C2

A ngesichts der Kultusminister konferenz am 14. und 15. März appelliert der Deutsche Philologen verband (DPhV) an die Kultusminis terkonferenz (KMK), der einphasi gen dualen Lehrkräftebildung eine klare Absage zu erteilen. »Eine Absenkung der Ausbildungs qualität – und nichts anderes sind einphasige duale Lehramtsstudien gänge, die keinen konsequenten kumulativen Kompetenzaufbau für Lehrkräfte verfolgen – hätte verhee rende Folgen«, sagte DPhV-Bundes vorsitzende Prof. Dr. Susanne Lin Klitzing. »Die Zweiphasigkeit der Lehrkräftebildung hat sich bewährt: Die universitäre Lehrkräftebildung mit der Kernaufgabe der fachwis senschaftlichen Bildung in der ers ten Phase und dem anschließenden unterrichtspraktischen Vorberei tungsdienst in der zweiten Phase sind die beiden Qualitätssäulen der Lehrkräftebildung. Konsequent mit dem Abschluss des Staatsexamens umgesetzt, kann die Studienzeit ge genüber polyvalenten Bachelor Master-Studiengängen sogar ver kürzt und ein zweijähriger Vorberei tungsdienst kann angeschlossen werden. Dafür setzen wir uns ein!«, so Lin-Klitzing weiter. Die jüngsten Schulleistungsstudien zeigten leider nachlassende Kom petenzen der Schüler und Schüle rinnen. Die Antwort darauf könne

nur hochwertiger Unterricht sein und eben keine Aufweichung und Qualitätsabsenkung in der Lehr kräftebildung, wie sie – bedingt durch den Lehrkräftemangel – in manchen Bundesländern Einzug halten solle. Lin-Klitzing: »Der Aus nahmefall darf nicht zu einer anhal tenden Erosion der Qualität führen. Dann wird die Ausnahme irgend wann zu einer schlechten Regel!« Der DPhV spricht sich zudem grundsätzlich für das Zwei-Fächer Studium für das Lehramt aus. Lin Klitzing: »Wir verlangen von den Lehrkräften, dass sie mit den Schü lerinnen und Schülern fachüber greifend arbeiten und dass sie aus verschiedenen Fachperspektiven auf die Unterrichtsgegenstände und Schlüsselprobleme dieser Welt analysierend und handlungsori entierend schauen. Eine grundsätz liche Verengung der Lehrkräftebil

5 PROFIL // 4/2024 Um die Attraktivität des Lehrer berufs zu erhöhen, sind aus Sicht des DPhV u.a. folgende Maßnahmen sinnvoll: so weit wie möglich abzu bauende Zulassungsbeschränkun gen für das Lehramtsstudium, ver besserte Teilzeitmöglichkeiten, das Erhöhen der Bezüge während des Vorbereitungsdienstes und bessere Finanzierungsmöglichkeiten und Sti pendien während des Lehramtsstu diums.  DPhV-Pressemitteilung vom 13.03.2024 dung auf ein Fach steht dem ent gegen. Abgesehen davon, würde die Einfach-Lehrkraft die Schulen vor gewaltige organisatorische Heraus forderungen stellen. Auch bei einem Quer- oder Seiteneinstieg sollte die lehramtsgemäße universitäre Nach quali fi kation im zweiten Unterrichts fach der regelhafte zweite Weg für diejenigen sein, die die Lehramts fakultas für ein sogenanntes Man gelfach bereits erworben haben.« Zudem betonte Lin-Klitzing, dass für Lehrkräfte aus dem Ausland die souveräne Beherrschung der deut schen Sprache selbstverständliche Voraussetzung sein muss: »Das C2 Niveau ist die Voraussetzung für eine Anstellung als Lehrkraft. Eine regelhafte Verp fl ichtung einzustel lender Lehrkräfte, das Niveau C2 nachlaufend berufsbegleitend zu er werben, reicht nicht aus.«

PROFIL // DPhV-Standpunkte

Jahresgespräch mit der Kultusministerkonferenz

Lehrkräftebildung braucht klare Standards Die dbb Bildungsgewerkschaften haben am 14. März 2024 in Berlin aktuelle bildungspoliti sche Herausforderungen mit den Mitgliedern der Kultusministerkonferenz (KMK) diskutiert. V or dem Hintergrund des eklatan ten Lehrkräftemangels lag der Lehrkräftebildung zu verbessern. Da für stehen wir beim dbb ein.«

les Studium im Sinne der Einphasig keit lehnen wir entschieden ab.« An gesichts des mangelbedingten Quer- und Seiteneinstiegs in den Lehrer beruf fordert sie zudem, dass nicht grundständig ausgebildete Lehrkräfte eine Weiterquali fi kation durchlaufen, die sie auf das Niveau eines Master abschlusses oder eines Staatsexa mens mit einem anschließenden Referendariat quali fi ziert. Simone Fleischmann vom DBB ergänzte: »Die Bildungsqualität kann nur gesteigert werden, wenn es der Politik gelingt, die Attraktivität und Qualität der

Fokus des diesjährigen Gesprächs auf der Lehrkräftebildung. Susanne Lin Klitzing, Vorsitzende der dbb Fach kommission Schule, Bildung und Wis senschaft, betonte: »Die Zweiphasig keit der akademischen Ausbildung, ein Vorbereitungsdienst von idealer weise 24 und mindestens 18 Mona ten sowie das grundsätzliche Festhal ten am Zwei-Fach-Lehramtsstudium sind elementare Qualitätspfeiler in der Lehrkräftebildung, an denen nicht gerüttelt werden darf. Ein dua

Hintergrund: Im Jahresgespräch mit der KMK bringen die dbb Bildungs gewerkschaften aktuelle Themen, Probleme und Lösungsansätze in die politische Debatte ein. Der aktu elle Austausch hat mit der Präsiden tin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot (SPD), Bildungsministerin des Saarlandes, und zahlreichen weiteren Kultus ministerinnen und -ministern der Länder stattgefunden. 

PROFIL // Titel

Fotos [4x]: Thomas Langer

Vorträge, Workshops und viele gute Gespräche und Austausch auf dem Kongress „Fit und innovativ in der Schule. Gesund im Gymnasi um“ in Berlin – hier DPhV-Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing mit Gabriela Kasigkeit sowie den zwei Referenten Prof. Dr. Klusmann und Prof. Dr. Eckert.

DPhV-Kongress in Berlin:

Wohlbe fi nden und Resilienz im Lehr beruf – ein Thema nicht nur für Frauen

von Walter Tetzlo ff und Gabriela Kasigkeit W ie halten sich Lehrkräfte so fi t, dass sie ihren Beruf in einem langen Berufs leben ausüben können und dabei Menschen bleiben, die sich ganz heitlich de fi nieren, eine Balance zwi schen Hingabe an den Beruf, Freu de und Fürsorge im privaten Umfeld und sinnvoller, ausgleichender Frei zeitaktivitäten wahren können? Da rüber gibt es eine unübersehbare Fülle von Expertenliteratur. Sollte der DPhV dazu einen Kongress ge stalten und dabei auch noch die be sondere Situation der weiblichen Lehrkräfte in den Fokus nehmen? Er hat es gewagt, und es war Ga briela Kasigkeit, die den Spagat zwi schen Gesundheitsförderung für alle Lehrkräfte und der besonderen Rolle der Frauen in unserem Beruf vorgenommen hat. Für Heiterkeit und gelöste Stimmung sorgte schon ihre Einführung, die sie mit einem Zitat begann: »Die Frau ist der Be

7 PROFIL // 4/2024 Bevor sich unsere geschätzten Kol leginnen in einer Mischung aus Zorn oder (wahrscheinlicher)  rufsausbildung körperlich, geistig und nervlich nicht gewachsen. Mäd chen, die mit 20 Jahren in blühen der Schönheit in das Amt treten, se hen schon nach einer Arbeit von sechs bis acht Jahren wie ganz ver blühte alte Jungfern aus. Im Alter von 30 bis 35 Jahren, wenn der Jüngling im Leben erst recht zu le ben und der durch ernste Studien und Vorarbeiten erlangten Kraft sich recht zu freuen beginnt, sind die Lehrerinnen oft bereits gebro chen, nervös, leidend, beständig kränklich und erfüllen ihre P fl ichten ohne Freudigkeit unter inneren Qualen. Mit 40 Jahren haben fast alle ohne Unterschied mit beständi gem Siechtum zu kämpfen, so dass ihr Leben von dieser Zeit an als ein im Grund trauriges bezeichnet wer den muss.«

»Fit und innovativ in der Schule. Gesund im Gymnasium« lautete das Motto des DPhV-Kongresses in Berlin – die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für frauen politische Fragen im DPhV, Gabriela Kasigkeit, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

PROFIL // Titel

8 PROFIL // 4/2024 zu richten, ist entscheidend für eine positive Selbstwirksamkeits erfahrung.  Lehrkräfte sind der Schlüssel für Lernende in Bezug auf Lern erfolg, Motivation, psychosoziale Entwicklung, Wohlbe fi nden, Ab schlüsse, Innovationen und Be wältigung von Krisen. Mithin ist der Ein fl uss von Lehrkräften auf Lernende sehr hoch einzuschät zen. Daher ist es wichtig, dass Lehrkräfte selbst resilient und gesund sind.  Emotionale Erschöpfung von Lehrkräften führt zu einer Dis tanzierung von ihren Lernenden, was für beide Seiten und die Un terrichtsqualität gleichermaßen nachteilig ist.  Den Fokus auf positives Erleben großem Amüsement von diesem starken Tobak abwenden, muss fai rerweise das Datum genannt wer den, unter dem diese (aus heutiger Sicht) Realsatire erschien. Es ist der 4. Oktober 1898 (Schulanzeiger für Unterfranken und Ascha ff enburg No.14, Würzburg 1898). Den weiteren Verlauf der erfolgrei chen Veranstaltung bestimmten Ex pertenwissen und ein Veranstal tungsablauf, der hier nur in Aus zügen wiedergegeben werden kann. So können die Beiträge von Anita Tobias, der Bremer Landesvorsit zenden, und der Kongressteilneh merin Andrea Müller-Kuhlmann als repräsentativ gelten. Während Anita Tobias ihre Erkennt nisse und Lerne ff ekte aus dem Kon gress chronologisch und pragmatisch zusammenfasste, legte Andrea Mül ler-Kuhlmann den Fokus auf die The men »Gesunderhaltung im Lehrerall tag« und »Classroom Management«: Anita Tobias: Eindrücke, Erkenntnisse, Lerne ff ekte

und »Bewegte Schule« sehr gut geeignet sind, um das Körper bewusstsein als Lerngegenstand und Sinneserfahrung zu nutzen und zu stärken, für Lernende und Lehrkräfte. Es geht weder um gezieltes Training noch um sportliche Leistungsbeweise, sondern darum, dass unsere Psyche eng mit unserer Motorik verknüpft ist – und somit die Do minanz des sitzenden Arbeitens in der Schule gezielt aufgebro chen werden sollte, damit der Körper und das Körperemp fi n den ein selbstverständlicher Teil des Lernens und Arbeitens wer den.  Im Workshop »KI, KO oder OK? Resilienz im digitalen New Work« wurde erfahrbar, dass die Auftei lung von Arbeitsaufgaben, Rei zen, sogar unvermeidlich er scheinenden Stressoren in be wältigbare »Portionen« den Kö nigsweg darstellt für die Stress

Austausch und Kommunikation spielten neben den Vorträgen eine große Rolle.

 Im Workshop »Lehrkräfte in Be wegung« wurde erfahrbar, dass die Konzepte »Bewegtes Lernen«

Foto: AdobeStock

Auch Konzepte wie »Bewegtes Lernen« sind geeignet, das Körper bewusstsein als Lerngegenstand und Sinneserfahrung zu nutzen und zu stärken für Lernende und Lehrkräfte. Es geht hier um die Er kenntnis, dass unsere Psyche eng mit unserer Motorik verknüpft ist.

PROFIL // Titel

bewältigung, besonders in unse rer Zeit der zunehmenden Dis ruptionen, zu welchen auch die Digitalisierung der Arbeitswelt und des sozialen Miteinanders entscheidend beitragen.  Den Umgang mit Stressempfin den kann und muss man ler nen. Unsere evolutionär ange legten Stressreaktionsmecha nismen funktionieren nur be dingt in der modernen Arbeits- und Kommunikationswelt, da her müssen wir lernen, andere Perspektiven darauf und ande re Formen des Umgangs damit einzunehmen.  Körper und Psyche verlangen gleichermaßen nach Stabilisie rung durch z.B. ausreichend Schlaf, Bewegung, gesunde Nah rung, Emotionsregulation, Bezie hungen und Verbundenheit so wie allgemein durch das Schaf fen hilfreicher Strukturen im Le bensalltag. Nach den Impulsreferaten am Vor mittag hatten die Teilnehmenden des Kongresses Gelegenheit, in un terschiedlichen Workshops sich mit vielfältigen Themenfeldern zur Ge sunderhaltung im Lehreralltag aus einanderzusetzen. Josephine Danneberg aus dem Team um den Ernährungsdoc Mat thias Riedl stellte in ihrem Work shop: »Gesunde Ernährung für Lehrkräfte in der Schule« nicht nur theoretische Bezüge zu einer ge sunden Ernährungsweise im Schul alltag her, sondern füllte diese ebenfalls mit praktischen Tipps und Rezeptvorschlägen. Andrea Müller-Kuhlmann: Gesund bleiben im Lehrer alltag und Classroom Management

Was ist die SMART-Methode?

Foto: AdobeStock

Der theoretische Fokus liegt auf dem 20:80 Prinzip. Dabei geht es nicht darum, eine bestimmte Diät durchzuführen, sondern sich auf seine Gewohnheiten zu konzentrie ren. Dies bedeutet, dass man nur 20% seines Essverhaltens ändern muss und 80% seiner Gewohnhei ten beibehalten kann. Ein wichtiges Kriterium ist dabei das Tellerprin zip. Dieses Baukastensystem teilt die Mahlzeiten auf dem Teller wie folgt auf: 20% Nudeln, Karto ff eln, Reis, Brot sowie hochwertige Öle und Fette etc., 30% Fleisch, Fisch, Eier, Milch, Milchprodukte und Hül senfrüchte sowie 50% Gemüse. Die se clevere Kombination sorgt dafür, dass man sich satt und zufrieden fühlt. Josephine Danneberg führt in ihrem Vortrag durch unterschiedli che Verzehrempfehlungen einzel ner Lebensmittelbestandteile, so dass die Teilnehmer des Work shops ein genaues Bild davon er hielten, welche Verzehrmenge über den Tag verteilt zu einer gesunden Ernährung führt. Häu fi g scheitern diese Umsetzun gen allerdings daran, dass man sich nicht die Zeit für sich selbst und eine gesunde Ernährung nimmt.

So hält die Vortragende es für wich tig, mit kleinen Zielen anzufangen. Man könne sich z.B. einmal die Wo che vornehmen, nach dem vor gestellten Ernährungsmuster den Tag zu strukturieren und diese Rou tine anfangs wöchentlich zu wieder holen. Josephine Danneberg ver weist hierbei auf den Einsatz der SMART Methode, die dafürsteht, dass man sich spezi fi sche (S) Ziele setzt, die messbar (M) und angemes sen (A) sowie realistisch (R) und indi viduell terminiert (T) werden können. Bei einem positiven Erfolg käme eine Übertragung auf andere Tage von selbst. Außerdem rät die Expertin, stets eine Einkaufsliste zu verwen den sowie sich einen festen Zeit raum zum Einkaufen einzurichten. Ebenfalls hebt sie hervor, dass viele bereits gesunde Lebensmittel zuhau se in dem Vorratsschrank einlagern. Dieses müsse man sich bewusst ma chen und für eine gesunde Ernäh rung nutzen. Abschließend wurden zahlreiche umsetzbare Rezeptideen vorgestellt, die auf dem Tellerprinzip aufbauen. Ebenfalls lagen zur Ansicht zahlreiche Rezeptbücher aus. Als Fazit des Work shops kann gesagt werden:

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PROFIL // 4/2024

PROFIL // Titel

10 PROFIL // 4/2024 Ein Beispiel stellt die Konzentrati onsfähigkeit dar, die häu fi g ein Pro blem der AD(H)S-Störung darstellt. Ein kleines Ziel könnte ein verein barter Zeitraum von z. B. 20 Minu ten sein, in dem die Schülerin bzw. der Schüler sich konzentrieren soll. Wenn diese Vereinbarung eingehal ten worden ist, muss die Lehrkraft unbedingt ein Lob aussprechen, da mit sich die Betro ff enen ernst und angenommen fühlen. Dabei geht es Gesunde Ernährung im Alltag ist so mit möglich, muss jedoch von jedem selbst in Angri ff genommen werden, erfordert ein Umdenken der alltägli chen Strukturen sowie einen neuen Umgang mit Lebensmitteln. Prof. Dr. Markus Eckert referiert in seinem Workshop »Classroom Management: Psychische Störungs bilder – was kann Classroom Ma nagement leisten?« über unter schiedliche Methoden des Class room Managements und wie diese die unterrichtliche Arbeit in Bezug auf die psychischen Störungsbilder unterstützen können. Er konzentriert sich dabei auf die Bereiche AD(H)S, Depression und Angststörung, wobei der Bereich AD(H)S besonders im Fokus stand. Nach Prof. Eckert geht es im schu lischen Kontext nicht darum, die Kinder zu heilen, sondern ihnen eine Hilfestellung zu geben, um sich im System Schule zurechtzu fi nden. Eine Möglichkeit bietet dabei die Broaden-Build-Theory, diese zielt auf die Erweiterung der Möglichkei ten (Broaden), dem Aufbau von Res sourcen (Build) und dem Transform und Growth (Inneres und gemein sames Wachstum) ab. In der Praxis bedeutet dies, dass man sich mit der Schülerin bzw. dem Schüler ge meinsam Schritt für Schritt einem Ziel nähert.

Foto: AdobeStock

Prof. Dr. Markus Eckert sprach in seinem Workshop »Classroom Ma nagement: Psychische Störungsbilder« über unterschiedliche Metho den des Classroom Managements und wie diese in der unterricht lichen Arbeit bei psychischen Störungsbildern hilfreich sein können. Er konzentrierte sich dabei auf die Bereiche AD(H)S, Depression und Angststörungen. Der Bereich AD(H)S stand besonders im Fokus.

insbesondere um Ressourcen- und Kompetenzentwicklung, die das Selbstbewusstsein des Kindes stär ken. Ebenfalls eignen sich nach Prof. Eckert Verstärkungen, sogenannte Token Pläne. Diese Verstärkerarten beziehen sich insbesondere auf So ziale Verstärker, Aktivitätsverstärker sowie Materielle Verstärker. Ein Bei spiel dafür ist, dass eine Klasse durch die Erarbeitung von Puzzletei

len eine bestimmte Art von Beloh nung erarbeitet wie z. B. einen Klas senaus fl ug. Die Puzzleteile erhalten sie immer dann, wenn die ihnen auf getragene Aufgabe gelöst werden konnte. So könnten z.B. Schülerin nen und Schüler mit einer AD(H)S Besonderheit eine Aufgabe erhal ten, die den Fokus von ihren sons tigen Au ff älligkeiten weglenkt. Ein positiver E ff ekt ist, dass sie inner halb der Klassengemeinschaft an ders wahrgenommen werden. Zum Abschluss gri ff Prof. Eckert die Störungsbilder Depression und Angststörung auf und erläuterte an hand praxisnaher Beispiele einen möglichen Umgang im schulischen Alltag. Die von Prof. Eckert erläuterten Möglichkeiten des Classroom Ma nagement in Bezug auf Psychische Störungsbilder bei schwierigen Schülerinnen und Schüler stellen für die Lehrkräfte eine Hilfestellung dar, um das mögliche Stresspotential im Schulalltag einzudämmen. 

DPhV-Vorsit zende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing bei

ihrer Begrü ßungsrede

Der Umgang mit KI und ChatGPT im Schulalltag bietet ebenso Stol perfallen wie der Umgang mit strafrechtlich relevanten Inhalten auf Handys von Schülerinnen und Schülern – die richtigen Informa tionen helfen, sie zu vermeiden.

PROFIL // DPhV-Termine

Berufspolitischer Ausschuss des DPhV in Fulda

Ländertausch, KI und Schülerhandys

Foto: AdobeStock

Drei Themenbereiche bildeten die Schwerpunkte der diesjährigen Frühjahrssitzung des berufspolitischen Ausschusses: die Vereinfachung des Ländertauschs, Chancen und Grenzen von KI und der rechtssichere Umgang mit Schülerhandys.

12 PROFIL // 4/2024 des abgebenden Bundeslandes in den Philologenverband des aufneh menden Bundeslandes organisato risch vereinfacht wird. Hierzu regt das Gremium an, dass der Berufs politische Ausschuss im Deutschen Philologenverband ein entsprechen des Online-Formular entwickelt und dieses den Landesverbänden in ge eigneter Form zur Verfügung stellt. Den zweiten Themenblock bildete die Diskussion über den Ein fl uss der KI auf den Lehrerberuf. Dazu formu lierten die Teilnehmer unter der Lei tung von Markus Gretzschel Anre gungen für ein Positionspapier, das einheitliche Standards für die Digita lisierung von Unterricht de fi nieren soll. Thomas Fritzsche aus dem Phi lologenverband Sachsen stellte in seinem Vortrag »ChatGPT und KI« D er berufspolitische Ausschuss sprach sich mit großer Mehr heit dafür aus, weiterhin da rauf zu drängen, dass die KMK sich für eine Vereinfachung des Länder tauschs bei Lehrern einsetzen möge. Dazu bestätigte das Gremium noch mals ein bereits im Jahr 2016 be schlossenes Positionspapier. Darüber hinaus setzt sich das Gremium dafür ein, dass ein Wechsel von Verbands mitgliedern vom Philologenverband

die technischen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz, aber auch de ren Grenzen kompetent und anwen dungsorientiert dar. Abgerundet wurde die Thematik durch einen Vor trag der u.a. auf Medien- & Online recht für Unternehmen und Schulen spezialisierten Mainzer Rechtsanwäl tin Antonia Dufeu, die über die recht lichen Aspekte und Fallstricke bei KI und ChatGPT im Schulalltag referier te. Im Anschluss verabschiedete das Gremium ein Positionspapier zu die sem Themenkomplex, das zu einem re fl ektierten Einsatz von KI für die Unterstützung der Lehrkräfte au ff or dert. Wesentlich dabei ist, dass im mer die Lehrkraft mit ihrer Expertise die letztliche Bewertungs- und Ent scheidungshoheit behalten muss. Durch die Änderung von §184b des Strafgesetzbuches im Jahr 2021 sind Fälle aufgetreten, bei denen gegen

Lehrkräfte strafrechtlich ermittelt wurde, die zur Beweissicherung grundsätzlich strafbare Inhalte auf ihrem Handy gespeichert hatten. Der berufspolitische Ausschuss sah sich dadurch veranlasst, noch einmal klar zu formulieren, welche rechtlich kor rekte Vorgehensweise in diesen Fällen einzuhalten ist. Hierzu referierte Frau Dufeu die juristischen Grundlagen. Klar ist weiterhin, dass in solchen Fäl len immer eine Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft statt fi nden muss. Wie Kollegen in solchen Fällen han deln sollen, hat der berufspolitische Ausschuss in einem Flyer zusammen gestellt, der den Landesverbänden zur Verfügung gestellt werden soll. Bei all der inhaltlichen Arbeit und Auseinandersetzung auch mit schwierigen Themen konnten auch bei dieser Tagung wieder persönliche Kontakte gep fl egt und über die Lan desgrenzen hinweg individuelle In formationen und Standpunkte aus getauscht werden. So sind diese Ver anstaltungen nicht nur für den Input und die Koordination der Länderakti vitäten, sondern auch für die Schaf fung von Netzwerken ausgesprochen hilfreich.  Thomas Knoblauch und Markus Gretzschel

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sitzung des berufspolitischen Ausschusses in Fulda.

Foto: Thomas Knoblauch

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PROFIL // Termine

Frühjahrstagung des Bildungspolitischen Ausschusses

Was kommt nach PISA?

Bildungspolitische Schlussfolgerungen zu Kompetenzstandards und Unterrichtsentwicklungen

14 PROFIL // 4/2024 politische Ausschuss des DPhV (BPA) den Blick auf PISA. Gab es nach der ersten Aufregung jahre lang in dieser Richtung wenig Auf regendes zu berichten, war be I n der diesjährigen Frühjahrs tagung, die am 1. März online stattfand, schärfte der Bildungs

kanntlich in der Folge der Verö ff ent lichung der jüngsten PISA- und IQB Ergebnisse ein neuer Zungenschlag in die Berichterstattung über die deutschen Ergebnisse gekommen. Erstmals nach langer Zeit halbwegs stabiler Ergebnisse war ein deutli cher Rückgang der Schülerleistun

gen auch in Deutschland zu ver zeichnen. Dieser Rückgang konnte zwar kaum jemanden überraschen, der einen halbwegs unverstellten Blick auf die Post-Corona-Zeit be sitzt, trotzdem sorgte die Feststel lung des eigentlich schon Bekann ten für einige Aufregung.

Foto: AdobeStock

PROFIL // Termine

lent: Was ist denn nun mit den Ergebnissen der empirischen Bil dungsforschung anzufangen? Das gilt umso mehr, als man sehr leicht vorhersehen kann, dass die gegen wärtige Entwicklung keinesfalls eine kurze »Delle« darstellen wird. Es ist schlechterdings kaum vorzu stellen, dass kommende Jahrgänge von Schülerinnen und Schülern, deren Defizite insbesondere in den Bereichen Deutsch und Mathe matik bereits im Grundschulalter festgestellt wurden, in künftigen Schulleistungsstudien in der Se kundarstufe I besser abschneiden werden. Was also kommt nach PISA? In der kritischen Analyse des BPA wurde sehr schnell deutlich, was in der Regel nach PISA kommt, näm lich – nichts. Die Erfahrungen aus den meisten Ländern sind gleich lautend: Eine ernsthafte kritische Auseinandersetzung mit den Ergeb nissen fi ndet insbesondere auf der politischen Steuerungsebene viel zu selten statt. Nicht wenige Resultate – so z.B. der kritische Blick der Schülerinnen und Schüler auf die Digitalisierung sowie deren klarer Wunsch nach strukturiertem Unter richtsgeschehen – wird oft sogar beiseitegeschoben. Und wenn dann doch gelegentlich Schlussfolgerun gen aus der empirischen Bericht erstattung gezogen werden, sind sie schlecht mit den tatsächlichen 

Die einzelnen Elemente der bildungspolitischen Steuerung greifen zwar wie Zahnräder ineinander – aber sie drehen in stark unterschiedlicher Ge schwindigkeit und gelegentlich auch in verschie dene Richtung. Deshalb knirscht es im System.

Außerdem – auch das war neu in der Debatte – regte sich erstmals wirksamer Widerspruch gegen die Indienststellung von PISA u. Co. für ideologische Zwecke, die zumeist gar keine Grundlage in den von der empirischen Bildungsforschung be richteten Ergebnissen besitzt. Ins besondere die Auseinandersetzung

mit dem deutschen PISA-Koordina tor Schleicher, der ein ums andere Mal mit anti-gymnasialer Ausrich tung Lehrer-Bashing betreibt, hat die Ö ff entlichkeit interessiert. Unabhängig von der schnelllebigen öffentlichen Debatte bleibt aber selbstverständlich die Frage viru

PROFIL // Termine

16 PROFIL // 4/2024 Deshalb knirscht es im System. Die Vorstellung, dass man einen erwarteten Lernerfolg schüler- und sachgerecht über theoretische und abstrakte Kompetenzde fi nitionen fassen könnte, denen oft der kon krete Bezug zu den Bezugswissen schaften fehlt, hat sich als fehler haft erwiesen. Dementsprechend taugen Kompetenzstandards auch nur zu einem geringen Teil als In strument der Unterrichtsentwick lung – und dementsprechend bleibt es rätselhaft, wie mit einem darauf aufgebauten, empirisch zu messen den Lernerfolg (oder -misserfolg) in der Bildungs- und Schulpolitik sach gerecht umgegangen werden kann. Mit anderen Worten: Die nach dem ersten PISA-Schock in Deutschland erfolgte einseitige Ausrichtung der Ergebnissen hinterlegt. Vor allem aber fehlt die Verbindlichkeit: Zwar stellen beispielsweise die entspre chenden Studien bereits seit Lan gem De fi zite in der Sprachentwick lung zu vieler Schüler fest; wo aller dings gibt es denn tatsächlich ver bindliche und nachgewiesenerma ßen wirksame Fördermaßnahmen, die mess- und zählbar Abhilfe für das bestens bekannte Problem scha ff en würden? Dementsprechend wurde im BPA sehr schnell klar, dass das eigentli che Problem – aber eben auch die »Rettung« – auf einer anderen Ebe ne liegt. Die bildungspolitische Steuerung, die zu Anfang des Jahr tausends neu auf den Pfeilern em pirische Bildungsberichterstattung, Kompetenzorientierung und Stan dardisierung aufgestellt wurde, be darf der Neujustierung. Es ist ja nicht so, als gri ff en die einzelnen Elemente der Steuerung nicht wie die Zahnräder ineinander – sie dre hen nur eben in stark unterschiedli cher Geschwindigkeit und gelegent lich auch in verschiedene Richtung.

von Forderungen aus der ideologi schen Mottenkiste wie z.B. der nach der Abscha ff ung des Gymnasiums zeigt. Könnte man nur mit di ff eren ziertem Blick auf die unterschiedli chen Schularten und sachverständi gem Bezug zur jeweiligen Bezugs wissenschaft klar formulieren, was die Schülerinnen und Schülern an Leistung erbringen müssen – dann könnte man auch schüler- und sachgerecht, vor allem aber mess- und zählbar de fi nieren, wie der Grad an Leistungserbringung sich jeweils bemisst. Basierend auf vali den Messergebnissen könnte eine solcherart aufgebaute Steuerung auch wirksame bildungs- und schul politische Maßnahmen ergreifen und zielgerichtet Ressourcen ein steuern, die zu einer echten Ver besserung des Unterrichts und da mit zu mehr Lernleistung führen. Insofern ist die Analyse des BPA ei gentlich auch gar nicht so PISA-kri tisch: Selbstverständlich tut empiri sche Forschung prinzipiell gut – ge rade wir Gymnasialen begrüßen ei nen wissenschaftsbasierten Ansatz zur Verbesserung unserer Arbeit. Wirklich wirksam kann ein solcher wissenschaftsbasierter Ansatz aber nur sein, wenn er mit ausreichen der Di ff erenzierung hinsichtlich der realen Strukturen und Aufgaben im Bildungssystem versehen wird und einen schüler- und sachgerechten Blick auf die tatsächlichen Lernleis tungen der Schüler erlaubt. Außer dem benötigt ein solcher Ansatz auch die Bereitschaft der Steue rungsebene, die vorgelegten Ergeb nisse umfassend zu re fl ektieren und im Fall des Falles auch entspre chende Maßnahmen zur Steuerung vorzunehmen, d.h. sie auch zu fi nanzieren. Dann klappt das in Zukunft auch mit PISA.

Foto: Marlene Gawrisch

Dr. Marcus Hahn, Vorsitzender des Saarländischen Philolo genverbandes, leitet den Bil dungspolitischen Ausschuss des DPhV.

bildungspolitischen Steuerung auf die Standardisierung hat mittlerwei le eindeutig Unwuchten bekom men. Diese Unwuchten zeigen sich auf zwei Ebenen: Zum einen führen sie auf der untersten Ebene zu dem, was der Hessische Philologenver band als »empirische Vernebelung konkreter Probleme« bezeichnet hat. Letztlich ist mit den Ergebnis sen der empirischen Forschung konkret und vor Ort fast nichts an zufangen – falls diese Ergebnisse überhaupt zur Verfügung stehen. Und wenn doch, fehlt es meist an der Bereitstellung entsprechender Ressourcen, um die Probleme auch tatsächlich anzugehen. Es darf sehr stark bezweifelt werden, dass Pro gramme wie etwa das mit Vor schusslorbeeren überhäufte Start chancen-Programm das wirklich werden ändern können. Auf der abstrakteren Ebene führt die Unwucht zu einer gewissen Rat losigkeit, die sich der Wiederkehr

Marcus Hahn

PROFIL // Interview

Foto: Holger Kiefer

KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot

»PISA hat uns einen ganz klaren Auftrag mitgegeben«

Christine Streichert-Clivot (43, SPD) ist seit Anfang 2024 Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK). Seit 2019 ist sie Ministerin für Bildung und Kultur im Saarland.

von Karolina Pajdak

CHRISTINE STREICHERT-CLIVOT: Unser Bildungssystem steht vor ei ner Vielzahl komplexer und mit einander ver fl ochtener Probleme, die eine ganzheitliche und kooperati ve Herangehensweise erfordern. Iso lierte Maßnahmen werden diese He rausforderungen nicht einfach lösen können. Kinder und Jugendliche ste hen im Mittelpunkt unseres

Berlin – Sie ist die Präsidentin der Kul tusministerkonferenz (KMK) 2024 und die Themen, die Christine Streichert Clivot (43, SPD) auf dem Zettel hat, sind nicht wenige! Im Interview mit PROFIL spricht die saarländische Kul tusministerin über die Konsequenzen aus der PISA-Studie, den Lehrkräfte mangel und wie sie begabte Schüle rinnen und Schüler fördern will.

PROFIL: Ministerin Strei chert-Clivot, Sie sind seit

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Beginn des Jahres die neue Prä sidentin der Kultusministerkon ferenz. Ihre Präsidentschaft wid men Sie dem Thema: »Bildung in Zeiten des Wandels – Transforma tion mutig gemeinsam gestal ten«. Was konkret meinen Sie damit?

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PROFIL // 4/2024

PROFIL // Interview

Bildungsministerin Christine Streichert- Clivot bei einem Schulbesuch an der Grundschule Altenkessel in Saarbrücken.

18 PROFIL // 4/2024 STREICHERT-CLIVOT: Ich selbst neh me unsere Lehrkräfte als engagiert und willens wahr, den Schülerinnen und Schülern in Deutschland ihr Wis- Kultusministerkonferenz vor die Lehrkräfte stellt, wenn Andreas Schleicher in seiner Funktion als PISA-Koordinator deutsche Lehr kräfte als Befehlsempfänger, die zu viel jammern und die sich stattdessen ein Beispiel an japa nischen Lehrkräften nehmen sol len, beschreibt. Wo ist der Zusam menhang mit den aktuellen PISA Daten? Was sagen Sie dazu? Handelns. Bildung braucht jetzt ein gut abgestimmtes Zusammenspiel aller Akteure, und auch den Mut neue Wege zu gehen. Deshalb ha ben wir uns als Saarland für die Prä sidentschaft auch kein fokussiertes Einzelthema gesetzt, sondern eine Leitidee für zukünftiges bildungspoli tisches Handeln formuliert: »Bildung in Zeiten des Wandels – Transforma tion mutig gemeinsam gestalten«. In einer Zeit, in der sich die KMK ge nauso im Umbruch be fi ndet wie un ser Bildungssystem, in der wir an verschiedenen Stellen ansetzen müssen und nicht das eine Rezept, die eine Lösung existiert, wollen wir an mehreren Stellen ansetzen, um neue Wege für gute Bildung von An fang an zu ermöglichen. Mutig zu sein, heißt für mich, neue Wege zu denken und nicht immer die glei chen Antworten zu fi nden. Als Prä sidentin der KMK habe ich mir klare Ziele gesetzt, die ich umsetzen möchte. Im Zentrum steht, Kinder und Jugendliche zu stärken! Leitidee statt Einzelthema Der Deutsche Philologenver band erwartet, dass sich die ?

Foto: Cuvée – Die Werbewinzer

sen zu vermitteln. Nicht vergessen dürfen wir dabei, dass unsere Bil dungslandschaft, aufgrund der viel fältigen und teils rasend schnellen Transformationsprozesse unserer Gesellschaft, mit diversen Ansprü chen und Erwartungshaltungen kon frontiert ist. Schulen müssen heute viel mehr leisten als noch vor einigen Jahren. Schülerinnen und Schüler verbringen hier einen großen Teil ihres Tages und erleben Höhen und Tiefen ihrer Jugend und ihres Er wachsenwerdens in der Schule. Aufstieg durch Bildung muss funktionieren Lehrkräfte sind mehr als nur Wis sensvermittlerinnen und Wissens vermittler. So berechtigt viele der Anliegen auch sein mögen, dürfen wir dabei die Menschen nicht aus dem Auge verlieren, die mit der Umsetzung betraut werden. Unsere Lehrkräfte dürfen, sollen und müs

sen auf Überlastung und Überforde rung hinweisen, wenn und wo sie statt fi ndet. Es hilft niemandem, wenn sie aus Angst stillschweigend weiterarbeiten und am Ende aus brennen oder den Dienst quittieren. Die Kritik von Herrn Schleicher und die sich daraus resultierende Debat te werfen aber wichtige Fragen auf: Was müssen Lehrkräfte und die Schule allgemein heutzutage leis ten? Für Schülerinnen und Schüler, für Eltern, für die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes? Hier tre ff en viele verschiedene Sichtweisen auf einander. Dieser Debatte müssen wir uns stellen und zwar gesamt gesellschaftlich. Pisa hat uns einen ganz klaren Auftrag mitgegeben: Wir müssen den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft reduzieren. Das Verspre chen des Aufstieges durch Bildung muss eingelöst werden. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, brau chen wir ein mutiges Miteinander, statt mit Vorurteilen Lösungs 

PROFIL // Interview

Foto: KMK

20 PROFIL // 4/2024 STREICHERT-CLIVOT: Das ist eine Frage, die sich so pauschal nicht be- prozesse zu hemmen. Jeder im Sys tem Bildung muss sich fragen: Werde ich mit meinem Tun den Anforderun gen an Transformation gerecht, die derzeit an unser Bildungssystem ge stellt werden? Ich sehe insgesamt eine hohe Motivation für Verände rungen. Diese gilt es aufzunehmen. Begri ff Leistung inzwischen man cherorts negativ besetzt ist. Was kann die KMK – was können Sie dafür tun, damit leistungsstarke Schülerinnen und Schüler geför dert werden? STREICHERT-CLIVOT: Bildungs gerechtigkeit bedeutet, alle Kinder und Jugendliche mit ihren Talenten, Potentialen, Fähigkeiten und Kom petenzen ganzheitlich zu fördern – und sowohl leistungsschwächere als auch besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen. Niemand möchte Kindern und Jugendlichen, die viel Spaß am Lernen haben und durch Arbeit und Fleiß gute Noten schrei ben, Steine in den Weg zu legen. Deshalb haben die Länder im Jahr 2016 die KMK-Initiative »Leistung macht Schule« (LemaS) ins Leben ge rufen, um die Förderung von begab ten Schülerinnen und Schülern neu zu gestalten. Durch LemaS haben wir ein gemeinsames Projekt ent wickelt, das dazu beiträgt, beson ders talentierte Schülerinnen und Schüler zu erkennen und an Regel schulen einen Raum zu scha ff en, der ihre individuelle Selbstentfaltung und Entwicklung unterstützt. Sehen Sie unsere Abiturien tinnen und Abiturienten adäquat auf ein Hochschulstudi um vorbereitet? ? ? Wir erleben im Schulalltag immer wieder, dass der

Susanne Lin-Klitzing (DPhV), Christine Streichert-Clivot, Maike Finnern (GEW), Katharina Günther-Wünsch (Bildungssenatorin in Berlin) und Katja Hintze (Stiftung Bildung, v.l.n.r.) bei der KMK-Präsidentschaftsübergabe in Berlin.

antworten lässt. Die Herausforderun gen, die mit dem Beginn des Hoch schulstudiums einhergehen, gehen weit über die reine Frage der Studier fähigkeit hinaus. Jeder einzelne Schritt in diesem Prozess bringt indi viduelle Herausforderungen und Er fahrungen mit sich. Wir sehen, dass immer mehr Studierende ihr Studi um vor Abschluss abbrechen, mit Ab bruchraten von 35% an Universitäten und 20% an Hochschulen für ange wandte Wissenschaften. Diese stei genden Zahlen und die zunehmende Notwendigkeit von Vor- oder Brü ckenkursen für Studienanfängerin nen und -anfänger deuten auf ein klares Passungsproblem hin. Es ist wichtig zu betonen, dass dies nicht nur auf bisher erworbene Kompeten zen zurückzuführen ist, sondern auch auf individuelle Faktoren. PROFIL: Zum Beispiel? STREICHERT-CLIVOT: Herausforde rungen, wie zum Beispiel der Frage des Lebensunterhalts. Wenn man sich, neben dem Studium, noch Ge danken machen muss, wie die Miete bezahlt wird und ob am Monats ende noch Geld für Essen übrig bleibt, dann hat das natürlich gra vierende Auswirkungen auf die Leis tungsfähigkeit im Studium. Das Abi tur als Allgemeine Hochschulreife im wörtlichen Sinne als eine alleinige ?

Vorbereitung auf das Studium zu verstehen, reicht aus meiner Sicht nicht mehr aus. Es ist entscheidend, ein umfassendes Verständnis von hochwertiger Bildung zu entwickeln, das sowohl die Fähigkeiten für das Studium als auch für den Beruf glei chermaßen fördert. Dabei ist es wichtig, die Vielfalt an Bildungs wegen und -möglichkeiten anzuer kennen und zu unterstützen. Dazu kommt, dass es auch nicht mehr nur einen Weg zum Studium gibt. Im Saarland sind wir gerade dabei, die Übergänge von schulischer Ausbil dung und Beruf in ein akademisches Studium weiter zu vereinfachen, so dass auch Menschen im Anschluss an eine Berufsausbildung schneller und leichter studieren können. mangel. Was tun Sie, damit die Bestandslehrkräfte im System bleiben? STREICHERT-CLIVOT: Der anhaltend hohe Bedarf an Fachkräften ist eines der drängendsten Themen der Bil dungspolitik und betri ff t darüber hi naus nicht nur Schulen, sondern auch die Kindertagesstätten. Die Län der und auch die Ministerkonferen zen KMK und JFMK sind sich einig, dass mehr Fachkräfte in unser Bil dungssystem kommen müssen und ? Eines der drängendsten Themen ist der Lehrkräfte-

PROFIL // Interview

STREICHERT-CLIVOT: Ich kann die Zukunft zwar gestalten, aber leider nicht vorhersagen. Es hat sich aller dings gezeigt, dass allein der Ausbau der grundständigen Studienkapazitä ten nicht ausreicht, um den aktuellen zusätzlichen Bedarf an Lehrkräften zu decken. Im Zuge der bereits ge nannten Maßnahmen zum Umgang mit diesem Bedarf beschäftigen sich die Länder natürlich auch mit der Frage, wie die dahinterstehenden Re gelungen ländergemeinsam umge setzt werden können. Was wir nicht wollen, ist eine Absenkung der Aus bildungsqualität zukünftiger Lehr kräfte. Deshalb achten die Länder ganz genau darauf, dass die Qualität in der Ausbildung nicht aus den Au gen verloren wird. Gerade beraten wir in der KMK die Möglichkeit eines Quereinstiegs-Masterstudiengangs (kurz: Q-Master). Diese Alternative zum grundständigen Studium 

wir gleichzeitig alles daransetzen müssen, dass bestehende personelle Ressourcen nicht durch fortlaufende Abgänge weiter dezimiert werden. In der aktuellen Lage müssen wir meh rere Strategien gleichzeitig verfolgen. Das beinhaltet die Akquise zusätzli cher Fachkräfte für multiprofessio nelle Teams, die Erö ff nung neuer Wege in das Lehramt und die verbes serte Anerkennung ausländischer Lehramtsquali fi kationen. Dafür müs sen wir auf die Ausbildung von Lehr kräften insgesamt schauen.

tung, die Lehrkräfteausbildung ins gesamt fl exibler zu gestalten, um den aktuellen Anforderungen bes ser gerecht zu werden. Dadurch stellen wir sicher, dass weniger an gehende Lehrkräfte ihre Ausbildung noch im Studium oder im Referen dariat abbrechen, denn jede ange hende Lehrkraft, die abspringt, ist eine zu viel. Unser Ziel sollte darin bestehen, mehr talentierte und en gagierte Personen für den Lehrberuf zu gewinnen und sie an die Schulen zu bringen. Nur wenn wir die Auf gaben, die alltäglich anfallen, auf mehr Schultern verteilen, werden Lehrkräfte e ff ektiv entlastet. verbindliche Standards für die Quali fi zierung von Quer- und Sei teneinsteigern festlegt. Werden wir das in Ihrer Amtszeit erleben? ? Der DPhV fordert mit Nach druck, dass die KMK endlich

Unzureichende Praxisorientierung

Viele Rückmeldungen, die mich er reichen, bemängeln die unzurei chende Praxisorientierung in der Lehrkräfteausbildung. Gleichzeitig ist es von entscheidender Bedeu

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22 PROFIL // 4/2024 arbeiten möchte oder muss, liegt bei den Arbeitnehmerinnen und Ar beitnehmern selbst und ist immer höchst individuell. Dazu kommt, dass Teilzeit nicht automatisch weni ger Belastung bedeutet, denn viele Aufgaben für Lehrkräfte lassen sich nicht teilen, sondern müssen so zeitmodell wie in Hamburg aus, das bundesweit mit zu der höchs ten Gruppe an Teilzeitlehrkräften geführt hat. Unsere Stichworte dazu sind: Senkung des Unter richtsdeputats, Entlastung, Al tersermäßigung, Entbürokratisie rung – wir wünschen uns, dass Lehrkräfte endlich wieder Zeit für guten Unterricht haben und nicht auch noch die Klassenfahrten ab rechnen müssen. Haben Sie dazu Ideen? STREICHERT-CLIVOT: Ob es das Hamburger Modell oder andere Fak toren sind, die zu der hohen Gruppe an Teilzeitlehrkräften geführt hat, kann ich nicht einschätzen. Denn die Entscheidung, ob jemand in Teilzeit soll nichtsdestotrotz wissenschafts basiert und qualitätsgesichert sein sowie klar de fi nierte Zugangsvoraus setzungen haben, worauf sich die Länder derzeit verständigen. Gleich zeitig sind sich die Länder einig, dass diese alternativen Wege in das Lehr amt nur als Ergänzung und nicht als Ersatz zum grundständigen Studium zu verstehen sind. Im Rahmen der nächsten KMK-Sitzung Mitte März, werden wir hierüber beraten und uns in bewährter Weise auch mit den Lehrkräfteorganisationen und Gewerkschaften austauschen. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch in diesem Jahr substanzielle Fortschrit te der Länder im Umgang mit der Lehrkräftegewinnung und -quali fi zie rung sehen werden. Der DPhV spricht sich nach drücklich gegen ein Arbeits- ?

oder so erfüllt werden. Wir setzen uns als Länder weiterhin für eine Bereichsausnahme im Rahmen der derzeit politisch diskutierten Novel lierung des Arbeitszeitgesetzes ein. Gleichzeitig sehen wir aber die Überlastung von Lehrkräften. Als Dienstherr haben wir auch eine Für sorgep fl icht gegenüber unseren Ar beitnehmerinnen und Arbeitneh mern. Wenn wir diese ernst neh men, dann müssen wir Antworten auf diese drängende Frage fi nden. Deshalb setzen wir uns intensiv mit den von Ihnen angesprochenen Möglichkeiten zur Entlastung aus einander, die jedoch auch fi nanziell tragbar sein müssen. Der DPhV spricht sich gegen ein duales Lehramtsstudium für das Gymnasium aus. Kann der DPhV dafür auf Ihre Hilfe zählen? STREICHERT-CLIVOT: In der KMK sind wir gemeinsam der Überzeu gung, dass wir einen stärkeren Pra xisbezug in der Lehramtsausbil dung brauchen. Wir sind bereits mitten in den Vorbereitungen für gemeinsame Beschlüsse und wir werden diese so gestalten, dass die Länder, je nach Situation vor Ort, weiter handlungsfähig sind, wenn es um die Lehrkräftegewinnung und -quali fi zierung geht. Die Stär kung des Praxisanteils in der ersten Ausbildungsphase wird auf jeden Fall ein Thema sein. Das fordern auch junge Lehrkräfte ein. Sie wol len gut vorbereitet sein auf das, was sie in der Schule erwartet. Un ter einem dualen Studium verstehe ich, eine stärkere Praxisorientie rung schon ab dem ersten Semes ter. Da hat sich in den vergangenen Jahren schon viel getan mit Praktika und Praxissemestern. Aber in Ge sprächen stelle ich fest, dass die Studierenden sich noch mehr wün schen. ?

Welche Wünsche werden an Sie herangetragen?

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STREICHERT-CLIVOT: Sie wollen die unmittelbare Konfrontation mit dem Schulalltag. Mit der praxisintegrier ten Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher im Saarland gibt es hier auch ein gutes Vorbild. Manche fürchten, es könnten sich durch ei nen zu frühen Praxiseinsatz ungute Handlungs- oder Arbeitsstrategien verfestigen, bevor sie theoretisch re fl ektiert werden können. Für mich liegt die Lösung jedoch vor allem in einer sorgfältigen Organisation und einer geeigneten Umsetzung in der Lehrerausbildung. Dabei darf es aber nicht dazu kommen, dass junge Fachkräfte, die sich noch in der Aus bildung be fi nden, zur Abdeckung von Personallücken genutzt werden. Im Saarland diskutieren wir bei spielsweise die Etablierung von Aus bildungsschulen, ähnlich wie es Lehrkrankenhäuser für angehende Medizinerinnen und Mediziner gibt. Das sind Standorte, an denen es Mentorinnen und Mentore gibt, die mit Studierenden und Referendaren zusammenarbeiten und sie so im un mittelbaren Austausch begleiten. Dann – und nur dann – kann ein dua les Studium funktionieren, bis hin zu einer vergüteten Variante bereits zu Beginn des Studiums. So weit sind wir aber noch lange nicht. Ich fi nde es gut, dass der DPhV in Bezug auf das duale Lehramtsstudium eine kla re Haltung vertritt und auf dieser Grundlage gemeinsam um den bes ten Weg ringt. Ich wünsche mir wei terhin einen kritischen und konstruk tiven Austausch, den wir an vielen Stellen schon führen und weiterfüh ren werden. Als Präsidentin der Kul tusministerkonferenz freue ich mich sehr darauf, gemeinsam mit Ihnen die Bildung in Zeiten des Wandels und die Transformation mutig und gemeinsam zu gestalten! 

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