Gymnasium Baden-Württemberg 5-6/2024
Thema aktuell heute: DIE GRÜNEN
Schulgemeinschaft in Balance
ten dabei multiprofessionelle Teams. Denn dann können sich Expertinnen und Experten um besonders knifflige Themen kümmern, und die Beteiligten sind nicht auf das persönliche Talent einzelner Ak teure angewiesen. Sie plädieren hier also für mehr Unterstützung für die Schulen? Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sind keine Sonderstrukturen für besonders belastete Schüler:innen oder Standorte. Sie sind ein Qualitätsmerkmal guter Schu len – künftig noch mehr als heute. Insge samt gibt es noch immer viel zu wenig Wissen über die Möglichkeiten und den Auftrag der Schulsozialarbeit, genau wie über ihre Grenzen. Tatsächlich muss man hier genauer hinschauen, denn die Organi sationsstrukturen sind komplex: Schulen sind nicht weisungsbefugt, und oft sind verschiedene Auftraggeber und Leistungs erbringer involviert. Da gibt es unzählige Varianten. Das wäre also vor Ort eine Feuer wehr für brenzlige Situationen? Tatsächlich geht es um sehr viel mehr: Wir denken eher an multiprofessionelle psy chosoziale Bildungs- und Interventions teams aus Lehrkräften, Schulsozialarbeit, Psycholog:innen und Kinder- und Jugend psychiater:innen sowie weiteren Fachleu ten, damit die Schulen ihrem umfassenden Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht werden können. Es geht darum, dass be lastete Schülerinnen und Schüler frühzei tig erkannt und adäquat unterstützt wer den können. Da müssen den Schulen We ge eröffnet werden, denn der reflexhafte Verweis auf die Eltern hilft nicht weiter: Kinder können sich ihre Eltern nicht aus suchen. Deshalb brauchen Schulen ein starkes Instrumentarium, um die psy chische Gesundheit der ihnen anvertrau ten jungen Menschen zu fördern.
In einer anstrengenden Welt wird ein ba lanciertes Seelenleben immer wichtiger. Ohne dieses ist erfolgreiches Lernen kaum möglich. Der Dauerkrisenmodus unserer Gesell schaft wirkt auf die psychische Gesundheit vieler Kinder und Jugendlichen. Was heißt das für die Schule? C orona war für viele seelisch und auch körperlich eine nachhaltige Belas tung. Unsere Schulgemeinschaften sind quasi von Krisen eingekreist: von der allgegenwärtigen Klimakrise bis zum Krieg vor unserer Haustür und dessen Nä he durch geflohene Klassenkamerad:in nen. Auch das wenig nachhaltige Bulimie lernen und eine lebensfremde Prüfungs kultur steigern bei Lernenden wie Lehren den das Gefühl von Überanstrengung und Überforderung. PISA-Chef Andreas Schleicher betont: Wellbeing, also umfas sendes Wohlergehen von Schüler:innen, ist wichtiger denn je und ein wissenschaft lich belegter Erfolgsfaktor. Dazu trägt vieles bei: ein ermutigendes Lernklima, positive und machbare Heraus forderungen, als Mensch gesehen zu wer den, Selbstwirksamkeitserfahrungen, ein gelingender Umgang mit individueller, so zialer und kultureller Vielfalt. Klar gehö ren auch Konfliktfähigkeit, Mitbestim mung und Demokratieerleben, Angstfrei heit und eine Gemeinschaft ohne Mobbing dazu. Wer lernen soll, braucht dafür einen sicheren Raum und eine stressreduzierte Umgebung. An der Schule treffen sich die potenziellen Leistungsträger:innen von morgen – wir sind als Gesellschaft darauf angewiesen, dass sich diese jungen Men schen möglichst gut entwickeln. Letztlich wissen wir doch alle, was Menschen guttut, was sie motiviert und zu Höchstleistung anspornt. Das gilt natürlich ebenso für Dieses ‘Wohlergehen’, was stellen wir uns darunter vor?
von Thomas Poreski, MdL
Foto: Lena Lux
Lehrkräfte und Schulleitungspersonen, de ren Wohlergehen für das Funktionieren guter Schule essenziell ist. Wo kann man ansetzen, um die seelische Gesundheit von Lehrkräften zu verbessern? Ein zentraler Faktor ist eine entsprechend gestaltete Weiterentwicklung der Lehr kräftebildung. Hier braucht es gute Ange bote, gerade für gymnasiale Lehrkräfte, weil in deren Ausbildung pädagogische Aspekte des Berufs sowie Psychologie kei ne so große Rolle spielen. Ansonsten gibt es eine Vielzahl etablierter Instrumente, die noch breiter eingesetzt werden müs sen: Coaching, Supervision oder Mento ring insbesondere für jüngere Kolleg:in nen oder Neuzugänge an einer Schule. Für Entwicklungsangebote braucht es Forma te, die zum Schulalltag passen, zum Bei spiel Mikrofortbildungen. Schauen wir noch einmal auf die Schulleitungen. Welche Rolle kommt ihnen in diesem Themen feld zu? Neben Fortbildung gehören zum Well being-Portfolio gute Teamstrukturen und eine Schulleitung mit Führungsqualitäten. Wir sprechen mit der Schulpraxis oft über ein Führungscurriculum für die Schullei tung des 21. Jahrhunderts. Was Schullei tungen zudem brauchen, ist ganz banal ei ne Entlastung von nichtpädagogischen Aufgaben. Einen wichtigen Beitrag für ei ne Reduktion von Belastungserleben leis
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