Blickpunkt Schule 5/2019

Kopftuchstreit um angebliche Diskriminierung Muslimische Lehrerinnen erhalten keine Entschädigung Gericht sieht keine Indizien für eine unzulässige Diskriminierung aus religiösen Gründen

unterricht’ eher dem Ethikunterricht als einem Religionsunterricht. Dem Land Hessen ginge es also nicht darum, über Glaubensinhalte zu bestimmen, sondern lediglich darum, über den Islam als sol- chen und seine zahlreichen Bezüge zu in- formieren. Die staatliche Neutralitäts- pflicht werde dadurch nicht verletzt. Da- rüber hinaus sei der ’Islamunterricht’ nicht verpflichtend, vielmehr könnten die Schüler auf den Ethikunterricht oder auf den christlichen Religionsunterricht aus- weichen. Durch die Einrichtung des ’Islamunter- richts’ als Schulversuch umgehe das Land Hessen auch nicht den Gesetzgeber, weil dieser Unterricht ein neues Fach darstel- le, das in der Praxis erprobt werden dür- fe. Damit lägen die Voraussetzungen des § 14 HSchG vor. Anhang: § 14 HSchG Schulversuche und Versuchsschulen (1) Durch Schulversuche in bestehenden Schulen soll die Weiterentwicklung des Schulwesens gefördert werden. Im Rahmen eines Schulversuchs wer- den Abweichungen von den gelten- den Regelungen zu Unterrichtsorgani- sation, Didaktik oder Methodik inner- halb des Schulaufbaus erprobt. Schul- versuche sind zu befristen. (2) […] Art. 7 GG Schulwesen (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) 1 Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. 2 Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religions- unterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religions- gemeinschaften erteilt. 3 Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. (4) […]

Rechtstipps

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Oktober 2019, Aktenzeichen: 6 A 2170/16 (Verwaltungsgericht Köln, 3 K 4572/15), 6 A 2628/16 (Verwaltungs- gericht Köln, 3 K 4559/15) Z wei Lehrerinnen, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ein Kopf- tuch tragen, müssen vom Land Nordrhein-Westfalen nicht wegen Be- nachteiligung bei der Stellenbesetzung entschädigt werden. Dies hat das Ober- verwaltungsgericht durch Urteile ent- schieden. Die Lehrerinnen muslimischen Glau- bens hatten vom beklagten Land die Zahlung einer Entschädigung nach dem im Jahr 2006 in Kraft getretenen Allge- meinen Gleichbehandlungsgesetz ver- langt, weil sie wegen des – vom Bundes- verfassungsgericht im Januar 2015 für verfassungswidrig erklärten – pauschalen ’Kopftuchverbots’ im nordrhein-westfäli- schen Schulgesetz nicht ins Beamtenver- hältnis übernommen worden seien. Dies sei eine unzulässige Benachteiligung auf- grund ihrer Religion. Die Klägerin des Verfahrens 6 A 2170/16 ist wohnhaft in Köln und macht geltend, sie sei nach Be- endigung ihres Referendariats 2007 und auch später wegen dieses ’Kopftuchver- bots’ nicht als Berufsschullehrerin einge- stellt worden. Die in Marburg lebende Klägerin des Verfahrens 6 A 2628/16 ist 2004 (nur) im Angestelltenverhältnis ein- gestellt worden und hatte auch mit ih- rem 2005 gestellten Antrag auf Übernah- me in das Beamtenverhältnis keinen Er- folg; die Verbeamtung erfolgte erst im September 2015. Das Verwaltungsgericht Köln hatte ihre Entschädigungsklagen ab- gewiesen. Die Berufungen der Klägerin- nen blieben erfolglos. Zur Urteilsbegründung hat die Vorsit- zende des 6. Senats ausgeführt: Der Ent- schädigungsanspruch nach dem Allge- meinen Gleichbehandlungsgesetz setze zwingend eine Bewerbung voraus. Dass

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das pauschale ’Kopftuchverbot’ im frühe- ren nordrhein-westfälischen Schulgesetz eine unzulässige Diskriminierung darstel- le, reiche nicht aus. Im Verfahren 6 A 2170/16 habe die Klägerin sich zwar teil- weise erfolglos beworben. Es sei aber nicht anzunehmen, dass das beklagte Land die Klägerin wegen des Kopftuchs nicht in den Schuldienst und ins Beam- tenverhältnis übernommen habe. Dafür fehlten jegliche Indizien. Es sei schon nicht festzustellen, dass das beklagte Land als Dienstherr überhaupt davon ge- wusst habe, dass sie aus religiösen Grün- den ein Kopftuch getragen habe. Bei manchen Stellenbesetzungsverfahren stehe sogar fest, dass die Klägerin nicht wegen ihrer religiösen Bekleidung, son- dern aus anderen Gründen, etwa wegen der Examensnote oder aufgrund der Er- gebnisse von Auswahlgesprächen, nicht zum Zuge gekommen sei. Im Verfahren 6 A 2628/16 könne die Klägerin keine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz beanspruchen, weil sich die Benachteiligungshandlung vor dessen Inkrafttreten ereignet habe. Ein daneben grundsätzlich in Betracht kommender unionsrechtlicher Haftungs- anspruch scheide mangels eines Scha- dens ebenfalls aus. Ein finanzieller Nach- teil sei nicht Gegenstand des Verfahrens, ein darüber hinausgehender Schaden sei nicht erkennbar. Quelle: Pressemitteilung des Oberverwaltungs- gerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Oktober 2019

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BLICKPUNKT Schule

Quelle: Pressemitteilung Nr. 15/2019, VG Wiesbaden vom 9. September 2019

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