Blickpunkt Schule 5/2019

Fortbildung im Spannungsfeld der Interessen I n allen Berufssparten wird heute kaum noch hinterfragt, dass ein le- benslanges Lernen eine der Grundvo- raussetzungen dafür ist, einen Beruf dau- erhaft und erfolgreich ausüben zu kön- nen. In vielen Branchen geht man sogar davon aus, dass im Laufe des Berufsle- bens die einmal erlernten Berufe unter Umständen mehrfach gewechselt werden müssen, da Berufsbilder wegfallen und durch neue Berufsbilder ersetzt werden. Kollegen sowie Vorgesetzten. Dabei ist das eigene familiäre Umfeld noch nicht berücksichtigt.

kräftige Unterstützung und die Vermitt- lung von Handlungsroutinen. Grundsätz- lich wird der Fortbildungsbedarf der Lehr- kräfte auch in allen Bundesländern aner- kannt und Fortbildung zur Pflicht erklärt. Mit der tatsächlichen Umsetzung des ei- genen Anspruchs hapert es allerdings. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie, die im Frühjahr 2019 erschienen ist. 4 Neben prinzipiellen Schwierigkeiten, wie der zu geringen Nachhaltigkeit von Fortbildungen für Lehrkräfte, stellen die Autoren auch eine grundsätzliche Unterfi- nanzierung der Lehrkräftefortbildung fest. Außerdem seien die Aufwendungen für Fortbildungen sogar noch gesunken, ob- wohl die Ausgaben für Schulen insgesamt gestiegen seien. Insgesamt erhält damit das Instrument für die Fortbildung für Lehrkräfte schlech- te Noten. Sie geht entweder an den Be- darfen vorbei, beschäftigt sich mit Rand- themen, erwartet gleichzeitig von den Lehrkräften gesellschaftliche Reparatur- aufgaben und das bei chronischer Unter- finanzierung. Ein Blick in den § 63 HLbG verdeutlicht das Dilemma:

Viele junge Lehrkräfte erleben den Be- rufseinstieg als Praxisschock. Sie müssen feststellen, dass es ’den’ Lehrerberuf gar nicht gibt. »Der Lehreralltag besteht aus täglichen Veränderungen, Unvorherseh- barkeiten, ständigen Situationswechseln und erfordert eine hohe Anpassungsleis- tung der Lehrkraft.« 1 Gleichzeitig werden Lehrkräfte mit schwierigen Themen kon- frontiert (zum Beispiel Ganztagsschule, Integration, Inklusion), deren Probleme nebenher im Unterricht gelöst werden sollen. 2 In diesem Zusammenhang wirft ’F.A.Z.’ -Herausgeber Jürgen Kaube der Politik vor, als Reaktionen auf auftreten- de Probleme und Fragestellungen eng getaktete Reformen mit hohen Erwartun- gen über den Schulen abzuwerfen, de- nen diese dann nicht gerecht werden können. 3 Genau diese konkreten Problemstellun- gen des Alltags sind es aber, die den Be- ruf der Lehrkräfte so herausfordernd ge- stalten. Hier benötigen die Lehrkräfte tat-

Veranstaltungen & Fortbildungen

Schule und damit der Beruf der Lehr- kräfte scheinen von dieser Entwicklung seltsam unberührt zu bleiben. Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass viele Bereiche schulischer Lehrinhalte Grundla- genwissen widerspiegeln, inhaltlich hier also relativ wenig Veränderungen zu ver- zeichnen sind, die eine fachliche Fortbil- dung notwendig machen würden. Genau diese fachlichen Fortbildungen waren aber über viele Jahre wesentlicher Be- standteil der Fortbildung der Lehrkräfte, bis das Interesse an derartigen Veranstal- tungen mehr und mehr erlahmte. In der Folge beschäftigten sich Lehrkräfte im- mer wieder mit Schulstrukturdebatten, der ständigen Revision der Curricula, Schulprogrammen, Methodendiskussio- nen und Leuchtturmprojekten als Allein- stellungsmerkmal der eigenen Schulen. Ob diese Diskussionen tatsächlich zur Professionalisierung der Lehrkräfte beige- tragen haben, sei dahingestellt. Es sei aber die Frage erlaubt, ob nicht der Blick auf den Kern des Lehrberufs verstellt wurde. Dieser Kern besteht einerseits in der Sicherheit der fachlichen Kompeten- zen der Lehrkräfte. Diese sollten durch die erste Phase der Lehrerbildung im Stu- dium gefestigt worden sein. In der zwei- ten Phase sollten alle Lehrkräfte eine ’Grundausstattung’ im Bereich von Didak- tik und Methodik erworben haben, auf der sie ihre Kompetenzen weiter ausbau- en können. Andererseits besteht aber ein wesentlicher Teil der Kompetenzen der Lehrkräfte in der Fähigkeit, auf vielen Ebenen und auf unterschiedlichen Ni- veaus persönlich interagieren zu können. Lehrkräfte stehen in ständigem persönli- chen Austausch mit Schülerinnen und Schülern, deren Eltern, Kolleginnen und

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Hessisches Lehrerbildungsgesetz (HLbG) – Auszug ACHTER TEIL Fortbildung und Personalentwicklung

§ 63 Aufgaben der Fortbildung und Personalentwicklung (1) Durch berufsbegleitende Fortbildung und Maßnahmen der Personalentwicklung 1. erhalten und erweitern Lehrkräfte ihre berufliche Qualifikation für a) den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. b) den Unterricht, c) die besonderen Anforderungen der Bildungsgänge, Schulformen und Schulstufen, d) den inklusiven Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. 2. qualifizieren sich die Lehrkräfte für a) besondere Aufgaben und Zuständigkeiten in der Schule, b) Ausbildungs-, Beratungs- und Fortbildungstätigkeiten auf Zeit oder Dauer, c) schulische Leitungsaufgaben, d) Funktionen in der Bildungsverwaltung oder der Leh- rerausbildung in der zweiten Phase. (2) Die Fortbildung und Personalentwicklung in den ersten beiden Berufsjahren dienen insbe- sondere der Einführung in die Kollegial- und Arbeitsstrukturen der Schulen und vertiefen und erweitern die erworbenen Qualifikationen zur Mitwirkung an den innerschulischen Ge- staltungsaufgaben. Darüber hinaus sollen individuelle Qualifikationsschwerpunkte im Hin- blick auf die weitere Berufslaufbahn gezielt gefördert werden. Zuständig für die Fortbil- dung und Personalentwicklung in den ersten beiden Berufsjahren ist die Schulleitung, sie wird von den in § 64 genannten Einrichtungen unterstützt.

Die beschriebenen Fortbildungsgebiete sind dabei nicht etwa ein unverbindli- cher Vorschlag, sondern die Fassung der verbindlich zu absolvierenden Fortbil- dungen. Diese sollen dann – außer in

Ausnahmefällen – außerhalb der Unter- richtszeit stattfinden. Als Fortbildungs- budget stehen den Schulen pro Stelle (nicht etwa pro Lehrkraft) zwischen vier- zig und fünfzig Euro im Jahr zur Verfü-

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