Blickpunkt Schule 4/2022

für das Wohnen und Heizen in hessi schen Kommunen, zu den Beiträgen für die private Restkostenversiche rung der Beamten usw., so wie wir das schon vor der ersten Klageeinrei chung mit den damals angenomme nen Daten getan hatten. An dieser Stelle wird vielleicht auch deutlich, dass ein solches Klagever fahren – soll es erfolgreich gestaltet werden – eine sehr, sehr arbeits- und auch kostenintensive Angelegenheit ist. Es soll hier durchaus erwähnt wer den, dass unsere Berechnungen, die wir demVGH vorgetragen haben, letztlich weitestgehend anerkannt, in Teilen vom Gericht sogar noch höher (bzw. noch verfassungswidriger) an gesetzt wurden. Der VGH verhandelte am gleichen Tag (30. November 2021) auch die Klage einer W-2-Professorin. Auch hier kam er zum Ergebnis, dass eine verfassungswidrige Unteralimenta- tion vorliegt. Der VGH betonte sinngemäß, dass ein Verstoß gegen das Mindestab standsgebot nicht zu rechtfertigen ist und dass ein so deutlicher Missstand am unteren Ende weitreichende Aus wirkungen auf das gesamte Besol dungsgefüge haben muss. Zur letzt gültigen Feststellung der Verfas sungswidrigkeit legte der VGH beide Entscheidungen dem BVerfG vor. Es kam zu einem überragenden und positiven medialen Echo, ohne die sonst übliche Neiddebatte. Wir haben als dbb Hessen von Be ginn an eine sehr offensive und diffe renzierte Öffentlichkeitsarbeit betrie ben, um immer wieder das Interesse der Medien aufrechtzuerhalten. Es war uns wichtig, auch der Öffentlich keit das Ausmaß des Problems deut lich zu machen. Die Befassung des BVerfG mit diesen beiden Vorlagen vom 30. No vember 2021 steht noch aus. Wir rechnen jedoch nicht mit Überra schungen aus Karlsruhe, denn der VGH hatte sich – erwartungsgemäß – in seinen Entscheidungen eng an den Vorgaben des BVerfG vom Mai 2020 orientiert.

deutlicher fällt der ’Reparaturbedarf’ auch des übrigen Besoldungsgefüges aus. Denn das generelle Abstandsge bot besteht fort, d.h., es ist nicht zu lässig, die vormals bestehenden Ab stände zwischen den einzelnen Besol dungsgruppen und -ordnungen im mer weiter einzuebnen. Die amtsan gemessene Alimentation muss sich in einem abgestuften Besoldungsgefü ge widerspiegeln. Je höher der Anspruch an und die Belastung durch das jeweilige Amt ist, umso höher muss auch die Alimenta tion ausfallen und umso größer wird die Bedeutung der qualitätssichern den Funktion von Alimentation. Und: Besoldung und Versorgung sind gleichrangige Elemente der Ali mentation. Das bedeutet, dass es durch eine Neugestaltung der Ali mentation nicht zur einseitigen Anhe bung der Besoldung und damit zu ei ner mittelbaren Absenkung des Ver sorgungsniveaus kommen darf. Es kann also festgestellt werden, dass die Gesetzgeber in Bund und Ländern über ausreichend Rüstzeug zur Erstellung von Besoldungsgeset zen und -ordnungen verfügen, um die Maßstäbe der Verfassung einzuhal ten. Stand heute (24. August 2022) ist dies jedoch in keinem einzigen Rechtskreis in Deutschland der Fall. Dabei hat das BVerfG wiederholt deutlich gemacht, dass es nicht seine Aufgabe ist, zu beurteilen, ob die Ali mentation in einem Rechtskreis an gemessen ist. Das BVerfG hat nur die Aufgabe, Maßstäbe für die Festlegung der ab soluten Untergrenze einer gerade eben noch verfassungskonformen Ali mentation und generelle Maßstäbe zur Alimentation, also unter anderem zum Abstandsgebot oder zur quali tätssichernden Funktion der Alimen tation, festzulegen. Was ist seit Mai 2020 bzw. seit Ende November 2021 geschehen? Man kann es gar nicht anders sagen: Regierungen in Bund und Ländern le

Diese Vorgaben zur Berechnung des Mindestabstands der Nettoalimenta tion zur Grundsicherung, mit denen das BVerfG im Mai 2020 die Annah men des BVerwG aus 2017 weitge hend bestätigte und seine eigenen Maßstäbe aus 2015 deutlich aus schärfte, sehen seither wie folgt aus und wurden infolge dessen auch vom VGH zugrunde gelegt: • Berechnung der jährlichen Gesamt unterstützungsleistungen für eine vierköpfige Familie, die Grundsiche rung erhält (persönliche Regelsät ze, zusätzlich realistische Kosten der Unterkunft in der teuersten Kommune des Rechtskreises, zu sätzlich realistische Beträge für Bil dung und Teilhabe der Kinder) • Gegenüberstellung der jährlichen Nettoalimentation einer Beamtin/ eines Beamten in der untersten Be soldungsgruppe und Erfahrungs stufe im Rechtskreis, als Alleinver dienerin/Alleinverdiener mit Part nerin/Partner und zwei Kindern (Bruttobezüge, abzüglich der Ein kommenssteuer in Klasse 3, abzüg lich der realistischen Beträge für die private Restkosten-Krankenversi cherung, zuzüglich Kindergeld) • Der Betrag der Nettoalimentation muss fünfzehn Prozent über dem Niveau der Grundsicherung liegen, sonst liegt verfassungswidrige Un teralimentation vor. Es wird also die vierköpfige Muster familie im Ballungsraum, die Grund sicherung erhält, verglichen mit der vierköpfigen Beamten-Alleinverdie ner-Musterfamilie in einer typisieren den Betrachtung. D.h., es wird vom Gericht nicht der individuelle Kläger betrachtet, son dern es wird abstrakt ein Beamter be trachtet, der im infrage kommenden Rechtskreis am untersten Ende des Besoldungsgefüges angesiedelt ist. Das BVerfG und der VGH haben festgestellt, dass ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot nicht ge rechtfertigt werden kann. Das bedeu tet, dass sich dann die weitere Prü fung erübrigt hat. Je deutlicher der Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot ausfällt, umso

Arbeitsbelastung im Lehrberuf

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