Blickpunkt Schule 4/2019

Formen in den Raum beamen A ngela Bulloch lässt den Leser in ihrem Buch ’Euclid in Europe’ an der Entste- hung und Weiterentwicklung ihrer Info

aus mal 1 : 100) führt dann gewissermaßen zum Witz des Jahres (Seite 157) 8 . Auch die Studienbedingungen in den Niederlanden (Seite 159 ff.) sind effektiver als in Deutsch- land. So ist es nicht verwun- derlich, dass die Zahl der Stu- dienabbrecher in Deutschland seit Bologna nicht ab-, son- dern zugenommen hat. Als Beispiele heutzutage uner- wünschter Querdenker wer- den Alfred Wegener und Stan- ley Prusiner vorgeführt. ’Uni Bolognese’, der Titel des letzten Kapitels, beginnt mit neun Fragen an Bologna: Keine einzige der dort formu- lierten Erwartungen wurde auch nur annähernd erfüllt! So ist es nicht verwunderlich, dass der auf Seite 178 zitierte Rainer Dollase grundsätzlich an der Anwendbarkeit des aus der Technik übernommenen Qualitätsmanagements auf das Bildungswesen zweifelt. ’Entzückend’ zu lesen ist da- bei eine von ihm ebenda hin- zugefügte Geschichte. Insgesamt ist dieses handli- che Buch interessant, aspekt- reich, erschreckend und wach- rüttelnd – also eine für den- kende Menschen sinnvolle und wichtige Lektüre. Viel Vergnügen bei der Lek- türe – trotz allem! Else Zekl 1 Wie rapide die Zahlen bei der Erreichung der Allgemeinen Hochschul- reife (noch wird sie ja so genannt) gestiegen sind, ist konkret auf Seite 20 zu lesen. 2 Siehe Hans Peter Kleins ’Streifenhörnchen’. 3 Seite 30 unten. 4 Interessant zu vergleichen wäre hiermit das auf Seite 157 Berichtete. 5 Eine Zahl, die sich laut Zeitungs- berichten gerade wieder in Hessen beim diesjährigen Abitur erhöht hat. 6 Man lese dazu insbesondere das Zitat auf Seite 84 unten. 7 Ein konkretes Beispiel (hier nicht aus Biologie und Naturwissenschaften) wird auf Seite 133 f. vorgeführt. 8 Und Galgenhumor zeigt die Bemerkung auf Seite 162 Ende zweiter Absatz).

BLICKPUNKT Schule Rezensionen

rhomboiden Skulpturen teilnehmen. Aus geometrischen Formen schafft sie mittels Computerberechnungen Skulpturen mit einer virtuellen Erscheinung. Die Skulpturen wir- ken, als wären sie in den Raum gebeamt worden. Das Buch wird ergänzt durch Links zu einer App, über die die Kunst durch eine musikalische Untermalung ergänzt wird. Die Künstlerin stammt aus Kanada und lebt in Berlin. Das Buch ist in Englisch, ihrer Muttersprache, geschrieben. Am Anfang waren Formen, die einem Vek- torraum in einem Computer entstammten. Sie fluteten einfach irgendwo an einem unbestimmten Ort, weder beschwert durch die Schwerkraft noch irgendwo angebun- den. Ähnliche Formen fanden zusammen, in die Höhe wachsend, an Statur gewinnend, definierende Qualitäten annehmend wie Rosenduft in einer Gruppe oder Licht- und Farbeffekte in einer anderen. Die Formen produzierten einen Kontext um sich. Es gab nun ein Oben und Unten, ein Vorne und Hinten mit Seiten hier und dort. Dann entstand ein Grund, auf dem die Formen standen, immer weiter, wobei er sich vielleicht in ein Land wandelte. Töne wurden vom Inneren einer einzel- nen Form ausgesandt. Arrangiert in musi- kalischer Weise wiederholt dreimal pro Stunde, bevor sie sich wiederholten; so gab uns der Sound einen Weg, Zeit zu markieren. Dann kam ein Sturm von außen von weit her. Getroffen von Wind und Regen lernten die Formen, dem Wetter zu wider- stehen. Von der Gravitation der Erde angezogen, ihrem Vektorraum entstammend, fanden die Rhomboid-Formen ihren Platz auf dem Grund. Die Formen hielten so auch weite- rem Sturm stand. Dieser Vorspann ist dem Buch in Form einer Schöpfungsgeschichte vorangestellt. Er be- schreibt die Herangehensweise der Künstle- rin und verleiht ihrem Buch eine Interpretati- Sinngemäß Vorspann S. 5: Euclid in Europe

Angela Bulloch: Euclid in Europe , Hatje Cantz Verlag | Berlin 2019 | 168 Seiten | 110 Abbildungen | ISBN: 978-3-7757-4550-5 | Preis: 35,– Euro

onsebene, die für seine drei Bereiche essen- ziell ist. Der erste Bereich behandelt die Zusam- menarbeit mit dem Komponisten und Musi- ker David Grubbs für ’The Wired Salutation’, durch die das Virtuelle ihrer Kunst weiter in das Reale transportiert wird. Der zweite Teil des Buches besteht aus einem Gespräch zwi- schen Angela Bulloch und Suzanne Cotter, in dem die Künstlerin ihre Arbeit erläutert. Im abschließenden Teil wird die künstlerische und die musikalische Ebene nochmals zu- sammengebracht. Die Abbildungen des Buches gehen vom Zweidimensionalen zum Dreidimensionalen, wobei beim Blick in Ausstellungen beides in Kombination zu sehen ist. Die Faszination der Skulpturen, deren Flächen farbig sind, wird nach dem Vorspann einsichtig. Dies gilt auch für die Farbkombinationen. Angela Bul- loch schafft solche Skulpturen seit 2014. Aus- löser für diese Werke ist sicher ein hohes In- teressse an Systemen, Strukturen, Regeln und menschlicher Interaktion, dabei die His- torie nicht außer Acht lassend. Die selbstver- ständliche Unterstützung durch den Compu- ter hilft, geometrische Logik in künstlerische Realitäten zu transportieren und übliche Grenzen zu überwinden. Zusammenfassend kann man vielleicht sagen: Angela Bulloch beamt mit ihren Skulpturen Rhomboid-For- men in den Raum. Andreas Preywisch

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