Blickpunkt Schule 4/2019

häufig wurden Defizite im Bereich Ma- thematik genannt. Ein beachtlicher Anteil der Schülerinnen und Schüler aller Schul- formen fühlte sich bezüglich der erforder- lichen Arbeits- und Lerntechniken nicht ausreichend vorbereitet. Bemerkenswert war, dass nur ein Fünftel der Studienan- fänger vor Beginn des Studiums freiwilli- ge Unterstützungsangebote wahrgenom- men hatten. Studierende mit Fachhochschulreife fühlten sich nicht nur subjektiv schlech- ter vorbereitet und empfanden im Studi- eneinstieg häufiger fachliche Defizite, sie erzielten auch signifikant schlechtere Studienleistungen als Studierende mit AHR. Rund zwei Drittel der Studierenden mit FHR erreichten im ersten Semester maximal fünfzig Prozent der formal vor- gegebenen Credit Points. Auf Studieren- de mit AHR traf dies nur zu einem Drittel zu. Die Leistungsunterschiede zwischen den Hochschulzugangsberechtigungen bestehen nicht nur im Studieneinstieg, sie sind auch im weiteren Studienverlauf zu beobachten. Zwischen den Leistungen im ersten Studienjahr und den Leistun- gen im zweiten Studienabschnitt (drittes bis sechstes Semester) besteht ein star- ker Zusammenhang; somit prognostizie- ren die Studienleistungen des ersten Stu- dienjahrs bereits gut den weiteren Studi- enverlauf. Leistungsdefizite, die im Studi- eneingang auftreten, können in den meisten Fällen im weiteren Studienver- lauf nicht ausgeglichen werden. Lediglich ein Viertel der Studierenden der Kohorte 1, die zum Wintersemester 2013/2014 ihr Studium begonnen hat- ten, hat es zum Wintersemester 2017/ 2018 erfolgreich abgeschlossen. Für alle Schulformen gilt, dass die No- te der Hochschulzugangsberechtigung ei- nen starken Zusammenhang mit den Stu- dienleistungen aufweist. Je besser die Note der Hochschulzugangsberechtigung, desto besser die Leistungen im Studium (Semesterdurchschnittsnote/Anteil der erreichten Credit Points im Studienein- gang, Bachelor-Abschlussnote). Es konnte festgestellt werden, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Hochschulzugangsberechtigungen nicht auf sonstige ungünstige Ausgangsbedin- gungen oder mangelndes Engagement

zurückzuführen sind. Selbst wenn die Stichprobe auf Studierende mit Erfolg versprechenden Eingangsbedingungen (unter anderem HZB-Note besser als Me- dian, hohe Studienwahlsicherheit, Studi- enwahl erfolgte aus Fachinteresse, keine Belastungen) begrenzt wird, bleiben die Leistungsunterschiede zwischen den Hochschulzugangsberechtigungen beste- hen: Auch in der Gruppe mit Erfolg ver- sprechenden Eingangsbedingungen er- reichten Studierende mit FHR signifikant schlechtere Leistungen als Studierende mit AHR. Überdies lässt sich festhalten, dass leistungsschwächere Studierende grundsätzlich nicht weniger Zeit für ihr Studium aufgewendet haben. Im Gegen- teil lässt sich eine Gruppe identifizieren, die viel Zeit in das Studium investiert, dennoch die regulär vorgesehene Menge an Leistungen nicht erfolgreich absolviert hat: Ein Viertel der Studierenden mit FHR erzielte weniger als 75 Prozent der regu- lär vorgesehenen Credit Points, wandte aber mehr als 34 Stunden wöchentlich (Median der Gesamtgruppe) für das Stu- dium auf. Welche Handlungsimpulse geben Studierende ihren ehemaligen Schulen und der Hochschule, um den Übergang zu erleichtern? Den Schulen wurde von den Studieren- den eine intensivere Vermittlung fachli- cher Grundlagen für das Studium, insbe- sondere in Mathematik, empfohlen. Aber auch hinsichtlich methodischer Kenntnis- se, wie eigenständiges Arbeiten, forder- ten viele Studierende eine bessere Vor- bereitung in der Schule. Bei den Angebo- ten zur Berufs- und Studienorientierung wurden insbesondere feldnahe Angebote wie Exkursionen an Hochschulen als nütz- lich bewertet und sollten aus Sicht der Studierenden häufiger angeboten wer- den. An die Hochschule wurde von den Stu- dierenden der Impuls gegeben, die Stoff- dichte zu reduzieren und selbstständiges Arbeiten zu Beginn des Studiums besser zu fördern. Außerdem wurde vorgeschla- gen, mehr Übungen und Tutorien anzu- bieten. Auf organisatorischer Ebene soll-

ten Informationen transparenter gemacht werden und mehr Übersichtlichkeit in Form von Bündelung der diversen On- line-Dienste geschaffen werden. Bereits vor dem Studium sollte die Hochschule bessere Einblicke in die Strukturen der Hochschule bzw. Studieninhalte ermögli- chen, so zum Beispiel Schnupperkurse anbieten. Einige wenige Studierende, die auf- grund ihrer schulischen Vorbildung sehr gut im Studium zurechtkamen, forderten eine Erhöhung des Anspruchsniveaus im Studium und die Anrechenbarkeit schuli- scher Leistungen, die äquivalent mit Grundlagenveranstaltungen im Studien- eingang sind. Auch hier zeigt sich die große Heterogenität in den Eingangsvo- raussetzungen der Studierenden. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse finden Sie unter folgendem Link: http:// digdok.bib.thm.de/volltexte/2018/5278/ Abitur und Bachelor – wie ein Land seine Zukunft verspielt Prof. Dr. Hans Peter Klein eröffnete sei- nen Vortrag am Nachmittag zum Thema ’Abitur und Bachelor – wie ein Land sei- ne Zukunft verspielt’, dem Titel seines aktuellen Buches, mit einer Übersicht über Ursachen der Bildungsentwicklung innerhalb der letzten Jahre und griff Output-Orientierung und Effizienzdenken als negative Einflussfaktoren und Zei- chen für die Ökonomisierung der Bil- dung heraus. Für den Bereich der Schule erinnerte er als Beleg für die qualitätssenkenden Auswirkungen an das von ihm 2009 in Nordrhein-Westfalen durchgeführte Ex- periment zur Kompetenzorientierung. Dabei hatte er festgestellt, dass Schüle- rinnen und Schüler der 9. Klasse Aufga- ben des Biologie-Zentralabiturs zu gro- ßen Teilen lösen konnten. Der Referent belegte die Tendenz, das fachliche Ni- veau niedrig zu halten, damit möglichst viele Schülerinnen und Schüler wenigs- tens befriedigende Noten erreichen könnten. Er stellte dazu Untersuchungen aus Hamburg und Hessen vor (immer größerer Umfang des zur Lösung der Aufgaben gelieferten Materials) sowie eine weitere, bei der in Schülergruppen

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