Blickpunkt Schule 3/2022

Das hessische Kerncurriculum hebt die Bildungsbedeutung des Faches wie folgt hervor: »Das dem Fach eige- ne zielgerichtete und gleichzeitig er- gebnisoffene Experimentieren ist un- ter dem Stichwort ’Kreativität’ ein Kernelement moderner und zukunfts- fähiger Bildung. Das ’aktive Probe- handeln’, welches sich im kontinuier- lichen Abgleich von Anspruch und Realität vollzieht, zeichnet das Fach ebenso aus wie das soziale Lernen in Spielsituationen sowie in den realen Situationen des gemeinsamen prak- tisch-interaktiven Arbeitsprozesses. Gemeinsames Probehandeln stellt hohe Anforderungen an Empathie, Rücksichtnahme, Selbstreflexion so- wie Selbstbewusstsein und ermög- licht in hohem Maße die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.« 11 Über diese Auswirkungen auf die einzelnen Lernenden hinaus, haben die Aufführungen einen spürbaren Ein- fluss auf die Schulkultur. Im Zentrum des Unterrichts steht die Vorbereitung, Entwicklung, Gestaltung und Durch- führung eines Theaterprojekts und dessen Präsentation. Theaterauffüh- rungen sind ein öffentlicher Raum des Austausches über aktuelleThemen und ästhetische Erfahrungen, erfüllen Spielende wie Zuschauende mit Stolz, befördern die Identifikation mit der Schulgemeinde. Die Schule wird als ästhetischer und gemeinsamer Erfah- rungsraum erlebt. Dieses Bildungs- ereignis wirkt nachhaltig, denn so, wie die beteiligten Schülerinnen und Schü- ler dieses Ereignis nicht vergessen wer- den, so bleibt es auch imGedächtnis der Schulgemeinde und trägt zu einer lebendigen Schulkultur bei. In den vielen Formen der beruflichen Schulen, der Sekundarstufe I und der Grundschule spielen die Darstellenden Künste bereits jetzt eine immer größe- re Rolle. So vernetzt und unterstützt das Netzwerk der Schulenmit beson- derer Förderung der Darstellenden Künste in der Sekundarstufe I Schu- len und insbesondere ihreTheaterleh- rerinnen und -lehrer, die die aktuellen Handlungsspielräume imWahl- und Wahlpflichtbereich, im Lernbereich äs- thetische Bildung sowie als Arbeitsge-

>> Theater-AG Jahrgangsstufe 6

Kulturelle Bildung

und Schüler zu psychischen Belastun- gen. Rückmeldungen an die Landes- schülervertretung ergaben, dass der Höhepunkt der Pandemie, in dem nur noch die Hauptfächer unterrichtet wurden, als besonders belastend wahrgenommen wurde. Da der Leis- tungsdruck und die Versagensangst in diesen Fächern hoch war und es kei- nen Ausgleich und Ablenkung durch unter anderem darstellende Künste, die durchaus virtuell umzusetzen ge- wesen wären, angeboten wurden.« Wie befreiend das Fach Darstellen- des Spiel im Schulalltag wirken kann, drückt eine Schülerin so aus: »DSP Unterricht bietet die Möglichkeit, mal für ein paar Stunden in der Woche nicht an Polynomdivision oder Fran- zösischvokabeln denken zu müssen und sich stattdessen kreativ und künstlerisch ausleben zu können. Al- so nicht, dass ich sonst an Polynom- division gedacht hab, aber you get it.« 9 Darstellendes Spiel ist mehr als ein Ausgleich, auch wenn Schülerin- nen und Schüler immer wieder diesen Aspekt hervorheben. Theater in der Schule ist »nicht nur eine ästhetische Kunstform, die über vielfältige Spiel- und Inszenierungsweisen symbolische und realistische, abstrakte und ver- fremdende Ebenen berühren kann, sondern immer auch eine soziale und relationale Kunst, die Beziehungen thematisieren und unterstützen kann« 10

kann, nämlich krisenhafte Momente zu reflektieren und beispielhaft durchzuspielen, (auch kontaktarm) gemeinsam kreativ zu sein – ob tän- zerisch, erzählend, gestaltend, spiele- risch sich mit dem Erlebten und den Veränderungen aktiv auseinanderzu- setzen. 7 Maike Sophie Späth, während der Pandemie Ausschussleiterin für Au- ßerunterrichtliche Angelegenheiten in der Landesschülervertretung Hessen, unter anderem zuständig für die kul- turelle Bildung, äußert sich auf die Frage, welche Bedeutung das Darstel- lende Spiel in krisenhaften Situatio- nen wie einer Pandemie hat, folgen- dermaßen: »Kulturelle Bildung und insbesondere das Darstellende Spiel ist ein enorm wichtiges und dringend benötigtes Ventil zum Stressabbau und Ausgleich besonders bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachse- nen. Es trägt maßgeblich zur Verbes- serung der mentalen Gesundheit bei. Besonders kritisch sehe ich die Ver- nachlässigung der darstellenden Künste während des Lockdowns in 2020 oder 2021. Durch die digitale Beschulung kamen der Stress und Druck der Schule ins Kinderzimmer und führte somit dazu, dass die Schü- lerinnen und Schüler keine Trennung mehr von privatem Rückzugsort und stressigem Schulalltag hatten. Dies führte laut Robert Koch-Institut 8 bei etwa einem Drittel der Schülerinnen

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