Blickpunkt Schule 2/2020
Blickpunkt Schule 2/2020
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
2/2020 · D 30462
Bilder: shintartanya/AdobeStock | stockpics/AdobeStock
Liebe Leserin, lieber Leser,
führte, ist nebensächlich geworden. Das gesellschaftliche Leben ist auf ein Minimum reduziert und persönliche Kontakte sind in früher nicht vorstell- barer Art und Weise eingeschränkt. Besonders die jetzige Zeit der Corona- Pandemie kann für manche von Ihnen zum Problem werden: immer wieder neue Nachrichten von Infizierten, Sor- gen um Angehörige oder die eigene Gesundheit. Das zehrt an den Nerven aller Menschen. Daher wünsche ich
uns allen viel Kraft für die Herausfor- derungen, die schon bestehen und noch auf uns zukommen werden. Vor allem aber wünsche ich Ihnen und all Ihren Angehörigen: Bleiben Sie gesund und behütet. Ihr
von CHRISTOF GANSS
In eigener Sache
ich grüße Sie herzlich in einer aufge- wühlten Zeit. Durch die Corona-Pan- demie steht das ganze Leben irgend- wie Kopf. Was gestern noch wichtig war und zu heftigen Diskussionen
Editorial » Bildung und Gesundheit ............................................... 3
» Editorial:
Bildung und Gesundheit
Personalratswahlen » Mitteilung über die Verschiebung
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der Personalratswahlen ................................................ 4 » 3+, 4-, 1, 2-, 5+, …, alles klar? ...................................... 4 » Kerngeschäft Unterricht? … Da war doch was? ........... 5 Glosse » Und täglich grüßt das Murmeltier! ............................... 6
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BLICKPUNKT Schule Inhalt
Berichte » Leit(d)-Orientierung Heterogenität?! –
» Bericht:
Leit(d)- Orientierung Hetero- genität?!
Komplexe Fragen an das Lehrerhandeln ...................... 7 » dlh-Fortbildungzum Schulrecht .................................. 18 » Schule ohne Noten?! Pädagogisch wertvoll oder unsinnige Arbeitsbelastung? .............................. 19 » Lehrkräfte an Gesamtschulen, wählt den hphv im dlh! ................................................ 22 Lehrerarbeit imWandel » Gymnasiallehrer mehrheitlich beruflich hoch belastet ............................................... 23 Veranstaltungen » Pensionärstreffen 2020 in Alsfeld ............................. 25 Personalien » Geburtstage ................................................................ 26 » Wir trauern um ............................................................ 26 Hauptpersonalrat » Nachrichten aus dem HPRLL ...................................... 27
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» Bericht:
Schule ohne Noten?! Pädagogisch wertvoll oder unsinnige Arbeits- belastung? 19
BLICKPUNKT Schule Editorial
Bildung und
Gesundheit
Bild: FrankBoston/AdobeStock
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten der Corona-Krise über eine Studie zur Lehrerarbeit zu sprechen, scheint absurd, Virologen sind eher die Fachleute der Stunde. Doch ein gemeinsamer Bezugspunkt liegt vor, nämlich die Gesundheit. Die Lehrerarbeit ist, wie vieles in un- serer Zeit, einemWandel unterworfen. Diese Einsicht stellt den Hintergrund der ersten bundesweiten Studie dar, in der die Arbeitsbelastung, Zufrieden- heit und Gesundheit der Gymnasial- lehrkräfte untersucht wurden. Die LaiW-Studie wurde vom Deutschen Philologenverband (DPhV) in Auftrag gegeben und vom Institut für Präven- tivmedizin der Universität Rostock durchgeführt, unterstützt durch die Krankenkasse DAK-Gesundheit. Das zentrale Ergebnis der repräsentativen Studie ist die hohe Arbeitsbelastung der Mehrheit der Lehrkräfte. Diese müssen – politisch gewollt – mit einer zunehmend heterogenen Schüler- schaft arbeiten und mit oft unbefrie- digenden Rahmenbedingungen zu- rechtkommen. Die gute Nachricht der Studie ist es, dass die Gymnasiallehr- kräfte mehrheitlich zufrieden mit ih- rem Beruf sind: Sie sind gern Lehr- kräfte, sie wissen die Arbeit mit den Kindern, Jugendlichen und im Kolle- gium zu schätzen, aber auch die flexi- ble Zeiteinteilung, die Autonomie so- wie die Vielseitigkeit der Anforderun- gen. Wenn mit der Studie die Situation im gymnasialen Bereich gewisserma- ßen sortiert wurde, so dürfen natürlich auch die Probleme in den anderen
Anstrengung eine große Zufriedenheit aus ihrer Tätigkeit. Jedoch sind die Möglichkeiten der Lehrkräfte auch endlich. Sie leben un- ter wachsendem Druck, gewisserma- ßen im Sog ihrer Verpflichtungen. Schon seit geraumer Zeit knirscht es im Schulalltag spürbar. Große Leis- tungsunterschiede in den Klassen, vermehrt auch Verhaltensauffälligkei- ten in der Schülerschaft, weiterhin gestiegene außerunterrichtliche Tä- tigkeiten erschweren stetig die gym- nasiale Arbeit. Lehrkräfte brauchen ein reißfestes Nervenkostüm; Burn- outs mehren sich auch in dieser Schulform. Das Gebot der Stunde sind gesund- heitsverbessernde Maßnahmen und bessere Rahmenbedingungen. Was wirkt hier begünstigend? Sicherlich kleinere und gemäßigt heterogene Lerngruppen, weiterhin Maßnahmen, die die Erholungsfähigkeit der Lehr- kräfte gewährleisten, also ein niedri- geres Stundendeputat und natürlich auch gute lernförderliche Ausstattun- gen und Lärmminderung in den Schu- len. Die Bundesvorsitzende des Philolo- genverbandes, Prof. Dr. Susanne Lin- Klitzing, kommentiert die Ergebnisse der Studie wie folgt: »Das Gymnasium darf nicht nur durch chronische Über- lastung der Lehrkräfte funktionie- ren.« Denken Sie an Ihre Gesundheit!
von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
Schulformen nicht unerwähnt blei- ben; die Situationen sind dort nicht weniger unbefriedigend, eher belas- tender. Gymnasiallehrkräfte haben es leichter und schwerer zugleich: leich- ter, wenn durch eine gelungene Vorar- beit in der Grundschule, d.h. durch ei- ne Entwicklung stabiler Grundkompe- tenzen, durch eine Ausbildung einer Lern- und Leistungsbereitschaft so- wie eine sichere Beratung der Eltern beim Schulwechsel die Einführung in gymnasiales Lernen gelingt. Schwerer ist es imVergleich, weil am Gymnasi- um auf demWeg zum Abitur ein Mehr an Inhalten und Anforderungen verar- beitet werden und dabei tiefergehend unterrichtet werden muss, als dies in der Grundschule aufgrund des Alters und der Reife und der unterschiedli- chen Begabungen der Kinder über- haupt möglich ist. Gymnasiallehr- kräfte begleiten die Kinder und Ju- gendlichen neun Jahre durch ihre Bil- dungsentwicklung, müssen sie ’sicher’ durch Phasen der Adoleszenz steuern, ihre Stärken herausarbeiten und för- dern und so den Weg zum Abitur und damit zu einer allgemeinen Studierfä- higkeit ebnen. Wenn das gelingt, be- ziehen Gymnasiallehrkräfte bei aller
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Mit kollegialen Grüßen
Mitteilung über die Verschiebung der Personalratswahlen
Der Hessische Landtag hat am 24. März in Erster und Zweiter Lesung den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Verschiebung der Personalratswahlen einstimmig angenommen: Die Amtszeit aller nach dem HPVG gewählten Personalvertretungen wird über den 31. Mai 2020 hinaus verlängert, längstens bis 31. Mai 2021. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport wird ermächtigt, durch Rechts- verordnung den Zeitraum für die Personalratswahlen festzulegen. Es bleibt nunmehr abzuwarten, welchen neuen Zeitraum das Hessische Ministerium des Innern und für Sport in Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden dbb Hessen und DGB Hessen-Thüringen für die Durchführung der Personalratswahlen anberaumt.
4 BLICKPUNKT Schule Personalratswahlen
3+, 4-, 1, 2-, 5+, ..., alles klar?
PSES. Ein neues Kürzel, eines von unendlich vielen, welches einem in den Personalratssitzungen begegnet. Ausgesprochen handelt es sich um eine ’Pädagogisch selbstständige Schule’, welche eine Sonder- form der selbstständigen Schule darstellt. In Erlassform auf den 19. September 2019 datiert. Q UIS, QUEMI, eKRW, oder RiSU, sehr gerne hätten wir am Gewerkschaftstag des
können sich besser mit anderen ver- gleichen, sie werden auf die Wettbe- werbsgesellschaft vorbereitet, auf die sie später treffen. Sie spiegeln auch Misserfolg wider, ja. Aber damit müs- sen Kinder und Jugendliche lernen umzugehen. Anstrengungsbereit- schaft und Leistungswillen werden eingefordert. Die Rückmeldung ist klar. Eine schlechte Note bleibt nie für sich stehen. Individuelle Förderung, Gespräche, Förderpläne, es wird damit konstruktiv umgegangen. Ziffernnoten schaffen Klarheit Für die Lehrkräfte bedeutet die Ab- kehr von der bisherigen Leistungs- bewertung auf jeden Fall Mehrarbeit, und das deutlich. Die sogenannte ’Hebung der Arbeitsleistung’ lässt sich nicht wegdiskutieren (nach HPVG § 74 unserer Einschätzung nach mit- bestimmungspflichtig in den PR). Die- se wäre es dann Wert, wenn sie bei den Schülerinnen und Schülern an- kommen würde. Dies jedoch wird nicht der Fall sein. Letztlich wollen diese eine klare Aussage über den Leistungsstand, und der ist nach wie vor am besten wie bisher über eine Ziffer abzubilden. Daher fordert der Hessische Philo- logenverband die Beibehaltung der über Jahrzehnte bewährten Ziffern- noten. Annabel Fee und Volker Weigand
und der Genehmigung des jeweiligen Antrags. Unklar bleibt, welchen Mehr- wert solche Schulen für die Schülerin- nen und Schüler aufweisen. Was sich hinter einer Note wie der 2- verbirgt, ist allen betroffenen Personen klar. Ein Gutachten hingegen führt dazu, dass man aus juristischen Gründen über kurz oder lang zu bestimmten Satz- bausteinen greift, um sich nicht an- greifbar zu machen. Ein falsch formu- lierter Halbsatz bietet Angriffsfläche. Eine ehrliche verbale Beurteilung wird somit mindestens ein Balanceakt blei- ben. Denn am Ende wird alles wieder zurückübersetzt werden müssen in Ziffernnoten. Lediglich in den Jahr- gangsstufen 1 bis 8 ist ein Verzicht möglich. »Lehrkräfte müssen in der Lage sein, den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler in Form von Ziffernnoten zurückzumelden.« Somit ist eigentlich nichts gewonnen, son- dern lediglich Arbeitszeit vertan. Denn zusätzliche Rückmeldung zu den klas- sischen Noten gibt jede Lehrkraft oh- nehin. Ob es Anmerkungen bei der Klausur sind oder Erläuterungen bei den mündlichen Noten oder ergän- zende Informationen bei Elternge- sprächen: Ziffernnoten schaffen Klar- heit. Die Schülerinnen und Schüler
hphv, welcher leider abgesagt wurde aufgrund der Entwicklungen rund um das Coronavirus, über diese Kürzel gesprochen und was sich dahinter verbirgt. Ein neues Kapitel soll mit der PSES aufgeschlagen werden. Weg von den vertrauten, bewährten Ziffernnoten. Hin zu verbalen Beurteilungen, wie man sie aus der Grundschule kennt. Dort noch gänzlich ohne Noten in den ersten Schuljahren. Oder aus den Gutachten zum schriftlichen Abitur. Dort allerdings sowohl über eine Zif- fernnote codiert wie auch als Gutach- ten den Schülerinnen und Schülern an die Hand gegeben. Ein falsch formulierter Halbsatz bietet Angriffs- fläche Was bedeutet das in der Praxis? Ent- sprechend der Koalitionsvereinbarung ermöglicht die hessische Landesregie- rung es jährlich einer definierten An- zahl von Schulen, sich zu einer PSES umzuwandeln, abhängig von der Zu- stimmung der schulischen Gremien
Kerngeschäft Unterricht? ... Da war doch was?
2015 verpasste die hessische Landesregierung der zugegebenerma- ßen etwas in die Jahre gekommenen Studien- und Berufsorientie- rung mit dem zugehörigen Erlass einen gänzlich neuen Anstrich. 2018 wurde dieser Bereich mit einer entsprechenden Verordnung be- dacht und nennt sich seitdem ’Verordnung für berufliche Orientie- rung in Hessen (VOBO)’. N eben vielen anderen Neue- rungen der letzten Jahre steht dieses Themenfeld Schulen, der Bundeagentur für Arbeit, mit Kammern, Verbänden, der Ju- gendsozialarbeit, mit Unternehmen, Betrieben und Hochschulen ist seit- dem gefordert. Doch ist das in der Praxis überhaupt umsetzbar?
zwingend gegeben sein. Eine Staf- felung nach Schülerzahlen wäre sinnvoll. Zudem wäre eine Beförde- rung für die zuständige Lehrkraft auf eine A14-Stelle angemessen angesichts der Dimension der Auf- gabe. • Die räumlichen Voraussetzungen durch einen angemessenen Ar- beitsraum für die zuständige Lehr- kraft müssen geschaffen werden, um die Materialien lagern und Ar- beitsgespräche führen zu können. • Die VOBO muss entschlackt wer- den. Dies könnte folgende Verände- rungen beinhalten: Die Betreuung des Praktikums in der Sekundarstu- fe II wird nicht direkt vor Ort, son- dern zum Beispiel durch die telefo- nische Erreichbarkeit einer Lehr- kraft gewährleistet. Die Veranstal- tung eigener Messen und Abende kann nicht erwartet werden, zudem ist das Angebot hierzu ohnehin mehr als reichlich vorhanden. • Sofern die Verpflichtung gegeben ist, zum Beispiel ein Bewerbungs- training für alle Schülerinnen und Schüler durchzuführen, müssen HKM und das zuständige Schulamt dafür sorgen, dass geschultes Per- sonal zur Verfügung steht. Ein Hin- weis darauf, dass sich der Schulko- ordinator/die Schulkoordinatorin nur gut genug vernetzen möge, um dies hinzubekommen, kann nicht zielführend sein. • Die BO darf nicht in Konkurrenz zum Kerngeschäft Unterricht ste- hen! Auch wenn diese sinnvoll ist, so ist der Abschluss an sich (in der Re- gel das Abitur) das Wichtigste. Be- triebserkundungen, Trainings und Testverfahren müssen sparsam do- siert werden und sollten auch nur als Abrufangebot auf freiwilliger Basis für interessierte Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen, sodass so wenig wie möglich Unter- richtsausfall entsteht. Annabel Fee und Volker Weigand
BLICKPUNKT Schule Personalratswahlen 5
seitdem im Fokus unter anderem auch bei den Vertreterversammlungen des hphv, und vielleicht auch in besonde- rer Weise exemplarisch dafür, wie sehr sich Schule doch immer weiter vom Kerngeschäft Unterricht wegbewegt. Neben der Kritik an der Formulie- rung, die sich auch amVerschwinden der ’Studienorientierung’ in der Über- schrift festmacht, geht es vor allemda- rum, welche Auswirkungen solche Än- derungen auf den Schulalltag haben. Die Flut der Pakete und Päckchen, die schon vor 2015 die Sekretariate und Hausmeisterbüros überschwemmte, dürfte seitdem ungebremst sein. Die Anzahl der Mails, die Angebote und Veranstaltungen anpreisen, hat dage- gen eine deutliche Steigerung erfah- ren. Alleine das Auspacken, Sichten, Verteilen und Aushängen der Informa- tionen dürfte die Schulkoordina- tor(inn)en hinreichend beschäftigen. Dass es dafür keine Stunden zusätzlich gibt ist wenig überraschend, ist es doch so wie bei anderen Projekten auch, die nicht mit Ressourcen ausgestattet sind. Unermüdlich erfolgt auf Nachfra- ge hin der Hinweis aus demHKM, dass es doch die auskömmliche 104- bzw. 105-prozentige Versorgung an den Schulen gebe. Dass das Tischtuch je- doch zu kurz ist, und an jedem Ende ein anderes Projekt zieht und Stunden möchte? Es bleibt das Problem der einzelnen Schule, somit ein Vertei- lungskampf vor Ort. Viel schwerwiegender ist jedoch das, was inhaltlich über die VOBO an die Schulen herangetragen wurde: Die Zusammenarbeit mit beruflichen
Wer die VOBO ernst nimmt, und das müssen diejenigen, die damit befasst sind, in Gänze, der wird an der Last der Aufgabe verzweifeln müssen. Flüstern Sie mal ganz leise einer Lehr- kraft in den Bildungsgängen Haupt- schule, Realschule oder Förderschule das Zauberwort ’Compo 7’ zu. Machen Sie es einfach mal … Kompetenzfest- stellung ist das Zauberwort, mehr sei hierzu nicht verraten. Am größten dürfte die Veränderung jedoch im gymnasialen Bildungsgang sein: Neben der oben bereits erwähn- ten Kontaktpflege sollen Ausbil- dungs-, Studien- und Berufsmessen (man beachte den Plural.) besucht, die Gründung von Schülerfirmen be- treut, Boys und Girls Day im Blick ha- ben, Betriebserkundungen durchge- führt und nicht zuletzt auch Praktika in der Sekundarstufe I wie auch der Sekundarstufe II begleitet werden. Dass dazu auch ein passendes Curri- culum geschrieben werden muss ist ’selbstverständlich’. Das muss ja auch für die Europaschule oder die Digitali- sierung geschehen. Bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: Die Studien- und Berufsori- entierung stärker in den Vordergrund zu stellen, ist alleine aufgrund der sich schnell veränderten Arbeitswelt un- abdingbar. Allerdings muss das mit Augenmaß geschehen. Daher fordert der Hessische Philologenverband: • Die notwenige Entlastung über di- rekt zugeordnete Deputate muss
Verwaltungsfachkräfte an Schulen Und täglich grüßt das Murmeltier! Z u Beginn der Legislatur gab es ein gutes Signal an die Schulen. 500 neue Stellen für Verwaltungs- fachkräfte, die an den Schulen tätig werden sollten,
6 BLICKPUNKT Schule Glosse
rungen verausgaben können. Gleichzeitig ist davon die Re- de, dass die sog. Verwaltungsfachkräfte nach E6 vergütet werden sollen. Dies ist die unterste Einstufung für Schulse- kretärinnen, die in Hessen gewährt wird. Schulsekretärin- nen sind aber beileibe keine Verwaltungsfachkräfte, zumal diese auch nach E9 und E10 vergütet werden. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ist die Finanzierung über die jetzige Legislatur hinaus auch nicht gesichert. Das Land ist auf dem besten Weg, 75 Millionen Euro in den Sand zu setzen. Man sollte sie vielleicht eher in den Rhein werfen, dann hört man sie wenigstens platschen. Sehr geehrter Herr Staatsminister Prof. Dr. Lorz: Veräp- peln können wir uns selbst. Sie verspielen gerade ein weite- res Stück Vertrauen, das die an Schule Beteiligten in Sie setzen. Machen Sie ernst mit Ihrem ursprünglichen Vorha- ben, stellen Sie genügend neue Verwaltungsfachkräfte ein, entweder direkt an den Schulen oder entlasten Sie die Schulen wieder von dem ganzen Verwaltungsballast, in- dem Sie Verwaltung wieder dahin zurückholen, wo sie hin- gehört. In die Staatlichen Schulämter, wo es schließlich das nötige Know-how schon gibt. Die unbedingt notwendige Verwaltungsarbeit an Schulen kann durch eine erhöhte Zu- weisung von Deputatsstunden an die Schulen ermöglicht und geleistet werden. Daher unterstützt der hphv die Forderungen der Bundes- vereinigung der Oberstudiendirektoren/LV Hessen: 1. Die Verwaltungskräfte sollen Landesbedienstete sein. Sie sind den Schulleiterinnen und Schulleitern unterstellt. 2. Verwaltungskräfte dürfen maximal an zwei weitere Schulen abgeordnet werden. Ein Kriterium für ihre Zuweisung ist die Schülerzahl. 3. Sie werden als Angestellte oder Beamte entsprechend ih- rer Aufgaben nach E9/A9 oder E10/A10 bezahlt. Verdiente und erfahrene Sekretärinnen sollten die Möglichkeit erhal- ten, als Verwaltungskräfte weiterbeschäftigt zu werden. 4. Sofern die Verwaltungskräfte Beamte/Beamtinnen sind, wird ihre Tätigkeit in der Dienstordnung geregelt und festgeschrieben. Christof Ganß
Der DPhV-Verlag geht neue Wege Unser Verlag tritt für einen aktiven Umweltschutz ein und wir streben für un- sere Produkte und deren Herstellung umweltverträgliche und energieeffi- ziente Lösungen an. Unsere Lieferanten und Vertragspartner beziehen wir in diese Zielsetzung ein. Ich kann Ihnen versichern, dass unsere Vertragspart- ner von der Deutschen Management Zertifizierungsgesellschaft mbH nach DIN ISO 50001:2011 zertifiziert sind für den Bereich Druck, Weiterverarbei- tung und Versand von Druckmedien. Diese international gültige Norm hilft Unternehmen dabei, ein systematisches Energiemanagement aufzubauen. Ferner sind unsere Druckpartner nicht nur FSC-zertifiziert, womit wir Ih- nen ein breites Sortiment von Papieren anbieten, deren Rohstoffe aus vor- bildlich und nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt – sie drucken für versprach uns Minister Prof. Dr. R. Alexander Lorz. Diese zu- sätzlichen Mitarbeiter sollten die Kolleginnen und Kollegen und auch die Schulleitungen bei Verwaltungsaufgaben entlasten, damit sich die Pädagogen wieder ihren eigentli- chen Aufgaben zuwenden könnten. Denn, dies sei an dieser Stelle betont, Lehrkräfte und Schulleitungen sind aus- drücklich keine Verwaltungsfachkräfte und die Berufsbilder haben originär auch keine großen Berührungspunkte. Trotzdem wurden immer mehr Aufgaben aus der Bildungs- verwaltung an die Schulen verlagert, jeweils mit neuen Heilsversprechen zur Arbeitserleichterung. Dies hat in kei- nem einzigen Fall den Tatsachen entsprochen. Jede einzel- ne ’Innovation’ führte zu erheblicher Mehrarbeit in den Schulen. Mehrarbeit, die selbstredend nicht vergütet wur- de. Die letzte ’Innovation’ ist das Instrument PPB – ein wahres Monster an Möglichkeiten. Damit kann Schule sich endlich selbst verwalten, so hieß es. In Wirklichkeit müssen die Schulen jetzt die Vorarbeiten für die Verwaltungskräfte an den Staatlichen Schulämtern übernehmen, die dann die gelieferten Daten erneut in SAP pflegen müssen. Eine ech- te Innovation bietet das System allerdings: alle, die über ei- nen Zugang verfügen, können jetzt auch von zu Hause aus ihre Planungen und Budgets bearbeiten. Hatte darum auch nur eine Schulleiterin oder ein Schulleiter gebeten? Wieder einmal sollen die Schulen mit Magerkost abge- speist werden, obwohl ein Mehr-Gänge-Menü in Aussicht gestellt worden war. Von 500 Stellen für Verwaltungsfach- kräfte ist schon keine Rede mehr. Stattdessen werden in den nächsten Jahren jährlich zunächst 5 Millionen Euro, in der letzten Stufe 25 Millionen Euro vom Land zur Verfü- gung gestellt. Allerdings nicht den Schulen und schon gar nicht für Landesbedienstete. Stattdessen soll dieser ’Geld- segen’ den Schulträgern zur Verfügung gestellt werden, die dann die Mittel nach eigenem Gutdünken und auf der Grundlage noch zu formulierender Verwaltungsvereinba-
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Kalenders 2020/2021 handelt es sich um eine phthalatfreie Recyclingfolie (ohne Weichmacher), ferner ist das Papier FSC-Material, welches vom Bundesumweltamt empfohlen wird. Caroline Dassow, Prokuristin DPhV-Verlag
BLICKPUNKT Schule Berichte
Pädagogische Tagung 2020
Leit(d)-Orientierung Heterogenität?! – Komplexe Fragen an das Lehrerhandeln
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Ein Bericht von Friedrich Bell, Meike Girardot, Peter Natus, Angelika Kiene-Bock, Gerhard Rabenecker, Angelika Schneider, Dr. Iris Schröder-Maiwald, Julia Schubert und Else Zekl Hohe Übertrittsquoten von der Grundschule an das Gymnasium offenbaren dessen ungebrochene Attraktivität. Dies ist einer der Gründe für die zunehmende Heterogenität der gymnasialen Schülerschaft, was sich zwangsläufig auf die Unterrichtsgestaltung auswirkt. Dissens in der Bildungsdiskussion entzündet sich an der Frage, ob Heterogenität eine Belastung oder Chance ist. Was taugen Konzepte innerer Differenzierung, um Individualisierung – bei gleichzeitigem koopera- tivem Lernen – zu ermöglichen? Kommt es – wie Kritiker befürchten – zu einer Absenkung des Niveaus in stark leistungsheterogenen Lern- gruppen? Wird Machbarkeit nur suggeriert oder auch eingelöst? Wie kann das Gymnasium unter diesen Voraussetzungen seinen speziellen Bildungs- und Erziehungs(mehr)wert sichern? R eferentinnen und Referenten sprachen auf Einla- dung des Pädagogischen Ausschusses des hphv aus der Sicht der Wissenschaft und des Hessischen Kultusministeriums zumThema. Unter der Tagungsleitung des neuen PA-Vorsitzenden Christoph Juretschke hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – unter ihnen die Vor- sitzende des Deutschen Philologenverbandes, Prof. Dr. Su-
» Begrüßung durch Christoph Juretschke, den Vorsitzenden des Pädagogischen Ausschusses
sanne Lin-Klitzing – Gelegenheit zur Diskussion mit den Vortragenden. In Arbeitsgruppen wurden Einzelaspekte vertieft betrachtet. Wie viel Heterogenität verkraftet der gymnasiale Bildungsgang? Das erste Grußwort kam vom langjährigen Vorsitzenden des Pädagogischen Ausschusses Reinhard Schwab , der in seiner neuen Funktion als Vorsitzender die Grüße des Hes- sischen Philologenverbandes überbrachte und einige As- pekte des Tagungsthemas ansprach. So lautet nach seiner Einschätzung die entscheidende Frage: Wie viel Heteroge- nität verkraftet der gymnasiale Bildungsgang? Ein Problem sei seit geraumer Zeit, dass soziale und gesellschaftliche
dung bedeute dies ein differenziertes Unterrichtsangebot und Förderung an einer möglichst genau passenden Schu- le. In Unternehmen seien multinationale Teams heute häu- fig anzutreffen. Im Sport sei Leistungshomogenität durch- aus förderlich. In einer Wandergruppe allerdings bestimme in der Regel der Langsamste das Tempo. Lehrkräfte müssten sich fragen, ob sie heterogene Schülergruppen eher als Bedrohung oder als Bereiche- rung wahrnähmen. Natürlich werde der Job nicht leichter angesichts religiöser und weltanschaulicher Heterogeni- tät, die besonders in den Städten Standard werde. Fluchterfahrungen kämen zusätzlich belastend hinzu. Rust vertrat die Ansicht, man solle sich bemühen, derart unterschiedliche Lernhintergründe durch individualisier- ten Unterricht auszugleichen. Innerhalb der pluralen Ge- sellschaft solle Heterogenität als Chance begriffen wer- den. Der Umgang mit ihr sei zu lernen, wofür der affektive und soziale Bereich stärker betont werden müsse. Auch in der Wirtschaft gebe es zunehmend Differenzierung, Per- sonalisierung der Arbeitsplätze und individualisierte Lö- sungen im Zusammenhang mit neuen Produktionspro- zessen. Anhand der am Anfang seines Grußwortes in die Runde gegebenen Tüten, die gleiche und gemischte Sü- ßigkeiten enthielten, verdeutlichte er die Attraktivität der Vielfalt, denn die Tüte mit der Mischung war schneller leer als die andere. In der Diskussion wurde das fiktive Beispiel einer ge- meinsamen Ausbildung einer Krankenschwester und einer Ärztin angesprochen und mit der Situation im gymnasialen Bildungsbereich verglichen. In diesem Zusammenhang stellte Matthias Rust fest, dass nicht damit zu rechnen sei, dass der Wahlmöglichkeit der Eltern in Bezug auf die wei- terführende Schule politisch in absehbarer Zeit Grenzen gesetzt würden. Man müsse aus dem Gegebenen das Beste machen. Dies gelte mittlerweile auch für Betriebe in Zeiten des Fachkräftemangels.
» Grußwort von
Reinhard Schwab, Vorsitzender des hphv
BLICKPUNKT Schule Berichte 8
Probleme immer mehr in die Bildungseinrichtungen verla- gert würden. Lehrkräfte seien die integrierende Kraft in he- terogenen Klassen und sollten den Spagat leisten können zwischen ’Freund’ des Lernenden einerseits und dessen ’Herausforderer’ andererseits; ein zugewandter Freund, der von einer ’reifen Position’ aus agiere. Lehrkräfte wirkten mit ihrer Persönlichkeit auf die Lernenden, sollten sich ihrer Persönlichkeit bewusst und natürlich mehr als nur ein Lernbegleiter sein. Heterogenität als ein grundlegendes Kennzeichen von Lebewesen und Materie Matthias Rust , Geschäftsführer der Landesarbeitsge- meinschaft SCHULEWIRTSCHAFT Hessen, erinnerte in sei- nem Grußwort daran, dass beispielsweise die Schöpfungs- geschichte im Alten Testament der Bibel belege, dass He- terogenität grundlegend sei. Auch die Evolutionstheorie folge diesem Prinzip. Es sei schon immer Aufgabe des Men- schen, mit Heterogenität umzugehen. Im Bereich der Bil-
» v.l.n.r.: Matthias Rust, Prof. Dr. phil. Bernd Ahrbeck, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Christoph Juretschke und Reinhard Schwab
Inklusion – Gymnasien auf der Anklagebank
Die Enttäuschung der in Berlin beteiligten Lehrerinnen und Lehrer sei massiv gewesen, mehr als neunzig Prozent würden das Experiment nicht wiederholen; es habe sich er- wiesen, dass die Realität des Lebens eine andere sei als die der gesetzten Ideale, was im Sinne des von Ahrbeck zitier- ten Züricher Pädagogikprofessors Roland Reichenbach nicht für die Qualität dieser Ideale spreche. Schwache Aus- gangspositionen blieben im Laufe der Entwicklung erhal- ten und das weitreichende Versprechen, die Inklusion kön- ne daran etwas ändern, erfülle sich nicht. Zudem sei auch gesichert, dass sie in der Regel keinen Anschluss an die all- gemeine Entwicklung finden. Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen habe 2015 heftig kritisiert, dass Deutsch- land die Inklusion an ganz entscheidenden Punkten ver- fehle. Dabei werde das Nebeneinander von allgemeinen und Förderschulen heftig angegriffen und die Vereinbarkeit von Inklusion und gegliedertem Schulwesen bezweifelt. Diese äußerst kritische Sichtweise werde auch von deut- schen Inklusionsvertretern geteilt. Demgegenüber habe allerdings das Kultusministerium schon vor Jahren erklärt, dass sich aus der UN-Konventi- on keine Aussagen über die Gliederung des Schulsystems herleiten ließen und der Besuch spezieller Einrichtungen nicht als diskriminierend anzusehen sei. Das ’German Statement’ (2015), das vom Bund, den Ländern, dem Mi- nisterium für Arbeit unter Beteiligung der Kultusminister- konferenz verfasst wurde, weist unter anderem darauf hin, dass verfassungsrechtlich Wahlmöglichkeiten zwi- schen unterschiedlichen Beschulungsformen verpflich- tend seien. Die ’Bestandsaufnahme’ enthielt unter anderem folgende Punkte: • Es wurden objektiv-rechtliche Gründe für die Erhaltung der Förderschulen festgestellt, während die UN-
Dr. phil. Bernd Ahrbeck , Professor für Psychoanalytische Pädagogik an der IPU Berlin und seit vier Jahrzehnten Ver- fasser zahlreicher Publikationen zu verschiedensten psy- chologisch-pädagogischen und klinischen Themen befass- te sich unter anderem intensiv mit Bildungspolitik und spe- ziell auch mit dem seit einigen Jahren maßgeblichen The- ma ’Inklusion‘. Gegliedert war der Vortrag in drei Hauptaspekte, über- schriebenmit ’Bestandsaufnahme’, ’Über Ideale, Menschen- rechte und Empirie’ und ’Dekategorisierung’, und zur Einfüh- rung seiner kritischen Auseinandersetzungmit der Thematik erläuterte Prof. Ahrbeck wesentliche Ergebnisse der Empirie auf diesemFeld, auch aus eigenen Untersuchungen. Viele Untersuchungen zeigten, dass Kinder mit Beeinträchtigun- gen des Lernens von einer gemeinsamen Beschulung profi- tieren, aber dies gelinge bei Weitemnicht durchgängig, auch dann nicht, wenn gute äußere Bedingungen vorliegen. Besondere Probleme bereiteten Kinder mit Verhaltens- störungen (ICD-10) beziehungsweise dem Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung. Für sie gebe es weltweit keine Modelle, die nachweisen, dass eine durchgängige ge- meinsame Beschulung ertragreich möglich sei. Spezielle Einrichtungen seien insbesondere für diese Personengrup- pe unverzichtbar. »Anfangserfahrungen mit der inklusiven Schule [Grund- schule] in Berlin« hätten ergeben, dass die Leistungsstär- keren nicht zurückgefallen sind, Schwache jedoch schwach geblieben sind. Das soziale Miteinander habe sich zwar als weitgehend komplikationslos erwiesen, allerdings nur bis zur Pubertät, danach sei diesbezüglich eine Umkehrbewe- gung zu beobachten, auch dass bestimmte Kinder, zum Beispiel solche mit geistiger Behinderung, trotz pädagogi- scher Bemühungen in eine Randposition geraten.
Berichte
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Behindertenrechtskonvention dem Grundgesetz untergeordnet ist.
terhin Sonderschulen existieren, deren spezifischer Auftrag ja gerade darin bestehe, durch intensive Förderung in ei- nem eher homogenen Rahmen die gesellschaftliche Inklu- sion ihrer Schützlinge zu befördern. Daraus resultieren fol- gende Thesen: • Spezielles, zum Beispiel die spezielle Schule, als Men- schenrechtsverletzung anzusehen, ist eine ideologische Position, die als solche keine Infragestellung ihrer Prämissen zulässt. • Die Probleme der Inklusion sind sicher nicht nur Über- gangsprobleme, da sie aus unterschiedlichen Erfah- rungswelten resultieren: Weltweit können zum Beispiel Schüler mit schweren psychischen Schäden nicht erfolg- reich inkludiert werden. • Dringend erforderlich sind weitere empirische Forschun- gen und die Trennung vom ’ideologischen Überbau’. Ein Ausblick auf die Probleme der Zukunft zentrierte sich um den Begriff der Dekategorisierung, deren Verfechter ei- ne Auflösung des Behinderungsbegriffes wie auch in der Konsequenz die Aufhebung von Leistungsbegriffen über- haupt verfolgen. In vielen Bundesländern würden zumindest im Grundschulbereich Förderkategorien aufgehoben und durch eine systemische Mittelvergabe ersetzt. Ahrbeck sieht große Probleme überall da, wo »Unterschiede nicht mehr benannt werden dürfen«, wo Auflösung von Kategorien all- gemein und eine Aufweichung von Leistungskategorien im Besonderen propagiert wird, und nannte als Beispiel Bre- men, das zugleich mit der Auflösung von Fördereinrichtun- gen auch die schlechteste Leistungsbilanz aufweise. Dabei habe sich auch ergeben, dass die Abschaffung di- agnostischer Kategorien nicht hilft; die Vorstellung, der Behinderungsbegriff löse sich von selbst auf, wenn Schulen aufnahmefähig sind, resultiere aus einem ideologisch mo- tivierten Irrglauben, ebenso wie die kategorische Forde- rung möglichst weitgehender Individualisierung, die letzt- lich dazu führe, dass eine Klasse in inkompatible Klein- gruppen zerfalle. In der anschließenden lebhaften Frage- und Kommen- tierrunde konnte die Problematik des grundlegenden Wi- derspruches zwischen der allgegenwärtigen Aufforderung zur unterrichtlichen Differenzierung einerseits und dem Verdikt der Benennung von Differenzen andererseits wie auch die sich aus diesemVerdikt ergebende Freisetzung der Bestimmungshoheit darüber, was in Zukunft wie zu hand- haben und zu bewerten sei, nur angerissen werden. Bernd Ahrbecks demnächst erscheinendes Buch ’Was Erziehung heute leisten kann. Pädagogik jenseits von Illu- sionen’ (2020) verspricht eine Vertiefung der Thematik. Arbeitsgruppen: konkrete Ansatz- punkte für die unterrichtliche Arbeit im pädagogischen Alltag ’Förderung der Lesekompetenz in heterogenen Lerngrup- pen’, ’Interkulturelle Kompetenz’ sowie ’Pädagogische He- rausforderungen durch Heterogenität und ihre Grenzen’
• Der Sinn der Konvention ist es, die Lebens- und Lern- situation von Menschen mit Behinderung zu verbessern, und dies erfordert eine behinderungsspezifische Förderung auf möglichst hohem Niveau. • Es gibt fachlich keine einheitlich akzeptierte Definition dessen, was Inklusion ist oder sein kann, die Vorstellun- gen gehen diesbezüglich weit auseinander und der Begriff bietet gegenüber dem der Integration auch keine nennenswerte Ausschärfung. • Die Vertreter einer extremen Auslegung des Begriffes ver- langen ungetrennte Gemeinsamkeit von Anfang an ohne jede Sonderung und jeglichen Ausschluss, fordern, Inklu- sion müsse konsequenterweise in eine ’Schule für alle münden’, während die Begriffsdefinition auf der Ebene von politischemWillen sehr kontrovers diskutiert wird. • In dieser Diskussion existiert auch eine ganz andere Vorstellung des Auftrages zur Etablierung eines inklu- siven Bildungssystems nach der UN-Konvention, der nach Hillenbrand die optimale Erfüllung der Bedürfnisse aller Lernenden an einem bestmöglichen Förderort bedeutet, nicht die Auflösung von Förderschulen, die auch von der UNESCO nicht gefordert wird. • Aus bildungssoziologischer Sicht existiert ohnehin längst ein inklusives Schulsystem gemäß § 24, denn das Bildungsrecht für alle sei bereits erfüllt: »Wir grenzen heute niemanden mehr wegen ’Bildungsunfähigkeit‘ aus der Schule aus.« (Tenorth 2013) • Aus einer Untersuchung, die Ahrbeck 2015 in Nordrhein- Westfalen durchgeführt hat, ergibt sich, dass einerseits Eltern insgesamt, d.h. zu 90 Prozent eine positive Grundhaltung zum ’Gemeinsamen Lernen’ haben, ande- rerseits sich über 89 Prozent für den Erhalt von Förder- schulen aussprechen, bei langjährigen Erfahrungen mit der gemeinsamen Beschulung sogar noch mehr. • Ein Blick über die Landesgrenzen ergibt, dass zum Bei- spiel in Skandinavien und England eine Trendumkehr hin zu mehr Fördereinrichtungen zu beobachten ist. Über Ideale, Menschenrechte und Empirie Im zweiten und dritten Teil seines Vortrages ’Über Ideale, Menschenrechte und Empirie’ bzw. ’Dekategorisierung’ stellte Prof. Ahrbeck folgende Thesen in den Raum: • Gegenwärtig verbinden sich mit der Inklusion die größ- ten moralisch-politischen Ansprüche und die höchsten pädagogischen Versprechen, wie der Bildungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth formuliert. • Jede differenzierte Gesellschaft besteht aus einer Fülle partieller Inklusion wie partieller Exklusion. Somit stellt auch eine Sonderbeschulung keinen totalen Ausschluss aus der Gesellschaft dar. Ahrbeck selbst ist laut eigener Aussage »für mehr gemein- same Beschulung«, hält es aber für unerlässlich, dass wei-
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waren die Themen der Arbeitsgruppen. In diesen fand ein reger Ideen- und Erfahrungsaustausch statt. Ziel war die Entwicklung konkreter Ansatzpunkte für die unterrichtliche Arbeit im pädagogischen Alltag. Arbeitsgruppe I ’Förderung der Lesekompetenz in heterogenen Lerngruppen’ Moderation: Julia Schubert, Else Zekl Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe ’Förderung der Lese- kompetenz in heterogenen Lerngruppen’ waren sich be- reits durch die Vorstellungsrunde darin einig, dass ein in- tensives Lesetraining gerade in den Unterstufenklassen notwendig sei. Aufgrund der Feststellung, dass zahlreiche Schüler, die aus der Grundschule in die weiterführende Schule kommen, noch gar nicht beim sinnentnehmenden Lesen angelangt sind, sei dies unumgänglich. Bevor man sich der Entschlüsselung und Konstruktion der Bedeutung von Texten widmen könne – das gelte nicht nur für literari- sche Texte –, müsste mit einigen Schülern noch an deren technischen Leseproblemen sowie an der zu geringen Le- semotivation, die durchaus unterschiedliche Ursachen ha- ben kann, gearbeitet werden. Doch selbst in den Oberstufenkursen, so eine Kollegin des Faches Biologie, müssten sich die Schüler viele Lernin- halte über Fachtexte aus den Lehrwerken aneignen, womit viele Lernende große Schwierigkeiten hätten, zum einen durch die Wissenschaftssprache sowie das nötige Fachvo- kabular, zum anderen aber auch, weil sie die Texte noch nicht intentional verstünden. Eine Kollegin berichtete aus dem Musikunterricht in ei- ner achten Klasse, für die sie die Texte der Lehrwerke stets vereinfache, Fachbegriffe nochmals erklären müsse und vielfach Tests schreiben ließe, die Fragen zum Inhalt der Texte enthielten, um die Verstehensleistung der Schüler zu überprüfen. Obwohl es eine immer größere Zahl der Lesemuffel und der Leser mit nur rudimentären Lesekenntnissen gebe, be- sitze jede Klassenstufe aber nach wie vor einzelne hervor- ragende Leser, so einer der AG-Teilnehmer. Dass die Zahl der Leseschwachen steigt, stellt uns als Lehrkräfte vor be- sondere Herausforderungen: Wie gelingt es, die technische Lesefähigkeit einiger Schüler zu fördern, sie zum Lesen zu motivieren/ihr Leseinteresse zu steigern und daran an- schließend sie zu Lesern werden zu lassen, die ein Sinnver-
ständnis entwickeln? Und wie erreichen wir diese Ziele, ohne die Schüler, die sich bereits sinnerfassend intensiv mit Texten auseinandersetzen, nicht zu vernachlässigen? Wie gelingt es, diese Schüler nicht aus dem Blick zu verlieren, sie ebenso zu fordern, wie die anderen Schüler gefördert werden? Zu diesen Fragen tauschten sich die AG-Teilnehmer so rege aus, dass sie darüber die Zeit vergaßen und die sich anschließende Kaffeepause zugunsten der Unterhaltung und der Fachdiskussion verkürzten. Die praxiserprobten Methoden aus dem Unterricht reichten von diversen Vari- anten des Lautleseverfahrens (deutendes und gestalten- des Lesen, Förderung des Sprechausdrucks als Methode der Textannäherung), über das beliebte ’Fehler-Lesen’ im Klassenverband (ohne die Mitschüler bloßzustellen), das szenische Interpretieren von Texten, wechselseitiges, wie- derholtes Vorlesen kurzer Sachtextabschnitte, Geschichten oder auch kurzer Gedichte, das Begleiten einer Lektüre durch Hörbuchversionen oder andere mediale Adaption, den Einsatz von Lesespurgeschichten, von Textpuzzles, Multiple-Choice-Tests zur Inhaltssicherung bis hin zur Ein- richtung von Lesetandems und/oder Lesepaten sowie der Möglichkeit eines Lesetheaters. Die Kollegen tauschten sich zum Einsatz möglicher Ganzschriften im Literaturun- terricht ebenso aus wie zu den verschiedensten Arten der Leseanimation, durch zum Beispiel Bücherkisten, Klassen- bibliotheken, Buchvorstellungen mithilfe einer Lesekiste/ einer Leserolle/eines Lesetagebuchs, Vorlesestunden durch die Lehrkraft und/oder Vorlesewettbewerbe. Diffe- renzierungsmöglichkeiten durch die parallele Arbeit der Schüler an unterschiedlich anspruchsvollen Texten wurden ebenso an konkreten Beispielen diskutiert. Nach Ansicht der AG-Teilnehmer sollten all die Methoden, die die Lese- kompetenz der Schüler fördern, letzten Endes dazu beitra- gen, dass nicht die Texte an die (schwachen) Leser ange- glichen werden, sondern stufenweise eine Anpassung der (mithilfe der Methoden geübten) Leser an den Text erfolgt. Arbeitsgruppe II ’Interkulturelle Kompetenz’ Moderation: Gerhard Rabenecker, Angelika Kiene-Bock Mittlerweile lehren und lernen in vielen Schulen Lehrkräfte und eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern unter- schiedlicher Herkunft, die von verschiedenen kulturellen Normen und Werten geprägt sind. Die Aufgabe der Lehr-
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» Arbeitsgruppe I
» Arbeitsgruppe II
teidigen, wobei Schulleitung und ggf. Staatliches Schulamt unterstützend wirken müssten. Relativ häufig gibt es auch Probleme bei der Teilnahme von Schülerinnen an Sport- und Schwimmunterricht sowie Klassenfahrten. Es zeigte sich, dass Schulen unterschiedliche Wege gehen, um hier zu Kompromissen zu kommen. Als Beispiel für die Arbeit in einem Fach wurde Kunstunterricht vorgestellt, in dem ver- sucht wird, statt des eurozentrischen Ansatzes solche aus der Kultur des Heimatlandes zu finden, um aktiv eine Ver- Die Feststellung, dass Lehrkräfte selbstsicher auftreten müssten, führte zu der Überlegung, dass dies insbesondere in den ersten Berufsjahren nicht so einfach sei. Es wurde deshalb für junge Kolleginnen und Kollegen ein Mentoren- systemmit Entlastungsstunden gefordert. Außerdem wur- de angeregt, ähnlich der Vertrauenslehrkraft eine Lehrkraft für interkulturelle Fragen an Schulen einzuführen. Auch sollten Dolmetscherinnen und Dolmetscher den Lehrkräf- ten bei Bedarf für Elterngespräche zur Verfügung stehen. Arbeitsgruppe ’Pädagogische Herausforderungen durch Heterogenität und ihre Grenzen’ Moderation: Friedrich Bell, Meike Girardot Zunächst wurde die Frage diskutiert, welchen Mehrwert Heterogenität im Bildungsprozess produziert. Hierfür wur- den folgende Punkte genannt und auch diskutiert: Erfah- rungen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshin- tergrund, Verständnis für das andere, Vorurteile abbauen und Toleranz üben, eigene Kultur als etwas Besonderes er- fahren, Förderung des sozialen Handelns, Einsatz von leis- tungsstarken Schülerinnen und Schülern und Experten als ’Hilfslehrer’. Der Mehrwert kann auch im fachlichen Leis- tungsbereich liegen. Oft fördert er aber stärker allgemeine Bildungsziele (beispielsweise im sozialen Bereich). Natür- lich ist auch eine Kombination von beidemmöglich. Die Lehrerausbildung in der zweiten Phase beinhaltet in die- sem Bereich auch das DFB-Modul ’Binnendifferenzierung’. Die Grenzen der Heterogenität wurden in der Arbeits- gruppe an unterschiedlichen Stellen klar aufgezeigt. Na- türlich spielt die Gruppengröße eine Rolle, da die Arbeits- bindung zum Lehrgegenstand herzustellen. Forderung nach Unterstützungsmaßnahmen
kräfte ist dabei, mit den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern erfolgreich und angemessen zu interagieren. Außerdem soll die Fähigkeit der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen entwickelt werden, einen Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller Orientierung zu entwickeln, der für beide Seiten akzeptabel ist. Interkultu- relle Kompetenz ist also das Ziel, das erreicht werden soll, und war das Thema dieser Arbeitsgruppe. Vielschichtigkeit des Begriffs Heterogenität Bereits in der Vorstellungsrunde zeigte sich, dass Hetero- genität im gymnasialen Bildungsbereich sehr vielschichtig ist. Kommen Schülerinnen und Schüler aus anderen Län- dern oder sogar Kulturkreisen, ist ein wichtiges Unter- scheidungsmerkmal, ob sie bereits in ihrer Heimat über ei- ne längere Zeit an einer Schule gelernt haben, mit gerin- gen Kenntnissen kommen oder sogar Analphabeten sind, ob ihre Eltern ambitioniert das Lernen der Kinder und Ju- gendlichen begleiten oder eher der Schule allein die Ver- antwortung für deren Fortkommen überlassen. Jeweils die erste Gruppe profitiert nach den Erfahrungen der Lehrkräf- te recht schnell von den schulischen Angeboten. Die Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern so- wie ihren Eltern wird – so die Erfahrungen der AG-Mitglie- der – ebenfalls von der Kultur des Heimatlandes beein- flusst, wobei hier auch die Stellung der betreffenden Fami- lie in der dortigen Gesellschaft eine nicht zu unterschät- zende Rolle spielt. Es wurde angeregt, dass Lehrkräfte (genauer) feststellen sollten, woher die einzelnen Schüle- rinnen und Schüler kommen, um besser auf sie eingehen zu können. So ergeben sich beispielsweise gravierende Un- terschiede zwischen Nordafrikanern und Türken. Wenn möglich, solle mit den Lehrkräften der Grundschule zu- sammengearbeitet werden. Allerdings seien bei Flücht- lingskindern oft kaum Informationsquellen verfügbar. Einfluss auf den unterrichtlichen Alltag Einige weitere Beispiele aus dem unterrichtlichen Alltag wurden erörtert. So tritt immer wieder respektloses Verhal- ten von Schülern und Eltern gegenüber Lehrerinnen auf. Man war sich einig, dass es notwendig sei, als Lehrkraft konsequent und mit Autorität aufzutreten und klare Ansa- gen zu formulieren. Es gelte, unsere Grundordnung zu ver-
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» Arbeitsgruppe III
kapazität der Lehrkraft nicht beliebig ausgeweitet werden kann. Bei zu großer Heterogenität ist die Gefahr groß, dass das Curriculummit den Lernzielen nicht erfüllt werden kann. Unterrichtliche Inhalte werden schlichtweg wegge- lassen oder zumindest durch Kürzung stark vereinfacht. Beispiele in unterschiedlichen Fächern zeigen den Niveau- verlust in den letzten zwanzig Jahren deutlich auf. In den Nebenfächern scheint sich stellenweise eine ’Beliebigkeit’ eingestellt zu haben. Die Forderung nach Schülerzentrie- rung darf nicht umgesetzt werden, indem der Unterricht ’leichter’ gemacht wird und somit das Anspruchsniveau abgesenkt wird. Der Ansatz, den Schülerinnen und Schü- lern inhaltlich alles zu ’servieren’, führt in der Mehrzahl der Fälle zu einer ’Bewegungslosigkeit’ der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die geistige Bewegung und fördert ih- re Konsumhaltung. Heterogenität kann eine Bereicherung sein; sie darf aber nicht zu einer Beliebigkeit der Leistungs- anforderungen führen (Absenkung des Niveaus). Beim Übergang von den Grundschulen zu den weiterführenden Schulen sollte der Elternwille nicht unberücksichtigt blei- ben; die Grundschulempfehlung muss zukünftig einen grö- ßeren verbindlichen Stellenwert bekommen. An Universtä- ten werden mittlerweile bei Anfangssemestern Förderkurse für gymnasiale Inhalte eingerichtet. Öfters wird eine Un- terscheidung zwischen Studienberechtigung und Studien- fähigkeit gemacht. In der Arbeitsgruppe wurde auch eine stärkere Förderung der Leistungsspitzen gefordert, da sie oft in sehr heteroge- nen Gruppen nicht im Fokus stehen. Der Blick der Lehrkraft ist aufgrund der Gesamtbedingungen oft auf die ’Mitte der Lerngruppe’ gerichtet. Der Einsatz von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern als ’Assistenzlehrer’ im Lehr- prozess ist zu begrüßen; er ersetzt aber nicht die inhaltli- che Förderung zu Spitzenleitungen. In anderen Ländern wie beispielsweise Russland werden gute Schülerinnen und Schüler stärker unterstützt und bekommen sogar Stipen- dien. Der Ansatz »Alle können zu allem gefördert werden« ist falsch. Im Sportbereich käme wohl kaum jemand auf die Idee, dass alle ’kickenden’ Kinder bei entsprechender För- derung in die Fußballnationalmannschaft kommen könn- ten. Die Notenvergabe in der Schule ist zunehmend kritisch zu betrachten. Die Noten für Arbeits- und Sozialverhalten bewegen sich in der Regel nur im oberen Bereich und stel- len eine Entwertung dar. Die Noten im Leistungsbereich werden aus den unterschiedlichsten Gründen nach oben korrigiert (Anzahl der negativen Noten, Durchschnittsnote, Eltern, Schulleitung). Heterogenität liegt nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern vor. In manchen schulischen Bereichen ist der Lehrerarbeitsmarkt praktisch leer. Bei Einstellung der benötigten Lehrkräfte (teilweise fehlende Ausbildung und Qualifizierung) liegen oft große Unter- schiede vor. Lehrerkollegien von Schulen werden zuneh- mend heterogener mit allen Vor- und Nachteilen. Folgende Gesichtspunkte werden in der Arbeitsgruppe abschließend zusammenfassend genannt:
• Heterogenität erfordert differenzierte Zugänge im Unterricht. • Im Rahmen der Förderung muss zukünftig insbesondere die Spitzenförderung stärker ausgebaut werden. • Die Verstärkung der Individualisierung im Unterricht fin- det ihre Grenzen, wenn damit das einheitliche Bildungs- ziel (auf der entsprechenden Niveaustufe) des jeweiligen Bildungsganges nicht erreicht werden kann. Die stärkere Ausrichtung auf das ’Konsumentenverhalten’ von Schü- lerinnen und Schülern durch zunehmende Individualisie- rung wird als kritisch erachtet. • Leistungsanforderungen (insbesondere bei Zugängen zu den unterschiedlichsten Bildungsgängen und bei Abschlussprüfungen) müssen landesweit vereinheitlicht werden. Ein weiteres Absenken ist mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler sowie in Bezug auf die wahrzunehmenden beruflichen und gesellschaftlichen Aufgaben abzulehnen. Prof. Dr. Dorit Bosse, Professorin für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Gymnasiale Oberstufe an der Uni Kas- sel, sprach zumThema ’Umgang mit Heterogenität – Dif- ferenzierung im Unterricht’. Die Referentin ging in ihrem äußerst interessanten Vortrag auf die folgenden vier The- menfelder ein: 1. Differenzierung, 2. Umgang mit Heterogenität – Diagnose und Transparenz, 3. Aufgabenformate, 4. Individuelle Leistungspräsentation. Dabei konnte Prof. Dr. Dorit Bosse, die ursprünglich eine Schullaufbahn eingeschlagen, die Fächer Deutsch und Kunst studiert hat und von Hause aus Studienrätin ist, auf eigene Unterrichtserfahrungen zurückgreifen. Auch heute noch geht sie regelmäßig in Schulen und testet, ob sich die Theorie in der Praxis, sprich vor und mit Schülerinnen und Schülern, umsetzen lässt. Umgang mit Heterogenität – Differenzierung im Unterricht
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» Prof. Dr. Dorit Bosse und Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing
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