Blickpunkt Schule 1/2024

Lesekompetenz in PISA 2022 Befunde zu den Lesekompetenzen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler in Deutschland und einigen Einflussfaktoren

substanzlos sind. Außerdem darf Bildungssprache in der Schule nie mals einseitig als Herrschaftsin strument verstanden werden. Stattdessen muss mit den Lernen den ergründet werden, welches die Funktionen von typisch bildungs sprachlich-formaler Sprache für das kommunikative Handeln in Schul- und Bildungszusammen hängen (vgl. auch Morek und Hel ler 2012) sind und wie diese für das eigene Sprachhandeln nutzbar ge macht werden können, am besten unter Einbeziehung des vorhande nen Sprachrepertoires. Dr. Christina Noack, Professorin für Didaktik der deutschen Sprache am Institut für Germanistik der Universität Osnabrück Literatur Feilke, Helmuth (2012): Bildungssprachliche Kompetenzen – Fördern und entwickeln. Praxis Deutsch 233, S. 4–13. García, Ofelia & Li Wei (2014): Translangua ging: Language, bilingualism, and education. London: Palgrave Macmillan Pivot. Habermas, Jürgen: Umgangssprache, Wissen schaftssprache, Bildungssprache. In: Max Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1977. Göttin gen. Wiederabgedruckt In: Habermas, J.: Kleine Politische Schriften I-IV. Frankfurt u.a. 1977/1981, S. 340–363. Morek, M. & Heller, V. (2012): Bildungssprache – Kommunikative, epistemische, soziale und in teraktive Aspekte ihres Gebrauchs. Zeitschrift für Angewandte Linguistik 57, S. 67–101. Ortner, Hanspeter (2009): Rhetorisch-stilisti sche Eigenschaften der Bildungssprache. In: Fix, U./Ungeheuer, G./Wiegand, H. E. (Hrsg.): Rhetorik und Stilistik/Rhetorik and Stylistics, Handbücher zur Sprach- und Kommunikati onswissenschaft 31, Teilband 2. Berlin 2009, S. 2227–2240. Ortner, Hanspeter (2019): Merkmale der Bil dungssprache. (https://epub.ub.uni-muen chen.de/ 61750/1/Ortner_Merkmale_Bil dungssprache.pdf; Zugriff 15. Januar 2024) Stanat, P., Schipolowski, S., Schneider, R., Sachse, K. A., Weirich, S., & Henschel, S. (Hrsg.)(2022): IQB-Bildungstrend 2021. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe im dritten Ländervergleich. Waxmann. Stanat, P. Schipolowski, S. Rjosk, C. Weirich, S. & Haag, N. (Hrsg.)(2017): IQB-Bildungstrend 2016. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangs stufe im zweiten Ländervergleich. Münster: Waxmann. 1 Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen. (https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/ver oeffentlichungen_beschluesse/2003/2003_1 2_04-Lese-Rechtschreibschwaeche.pdf)

Titelthema

I m Jahr 2001 stellte die erste PISA Studie fest, dass die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schü ler im internationalen Vergleich er heblich niedriger als erwartet waren und löste damit den sprichwörtlich gewordenen PISA-Schock aus. Gleichzeitig zeigte die Studie für Deutschland einen im internationalen Vergleich starken statistischen Zu sammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schü ler und ihren gemessenen Kompeten zen auf. Dieser, in späteren Schulleis tungsstudien zumeist reproduzierte, Befund wurde und wird vielfach als Nachweis mangelnder Bildungsge rechtigkeit und Ergebnis der Selektivi tät des deutschen Schulwesens ange sehen. In den letzten Jahren ist, eben falls durch die Befunde von Schulleis tungsstudien, die Bedeutung der bil dungssprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in den Fokus geraten. Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie erlauben in die sem Zusammenhang interessante Einsichten zu den Lesekompetenzen der Fünfzehnjährigen in Deutschland. Über die PISA-Studie Die von der OECD verantwortete PISA Studie (PISA = Programme for Inter national Student Assessment) wird seit dem Jahr 2000 in dreijährigem Turnus durchgeführt und gilt als wich tigste, weil umfangreichste, interna tionale Schulleistungsstudie. Die jüngste Runde war wegen der Corona Pandemie um ein Jahr auf 2022 ver schoben worden. PISA testet die Kompetenzen von fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schülern in den teilnehmenden Staaten in den drei Kompetenzbereichen (Domänen) Le

severständnis (in der jeweiligen Un terrichtssprache), Mathematik und Naturwissenschaften. Dabei testet PISA als ‘Literacy’ bezeichnete, all tagsbezogene Kompetenzen und ori entiert sich nicht an den Lehrplänen der Teilnehmerstaaten. Die Alters gruppe wurde gewählt, weil in diesem Alter oder kurz danach in den meisten teilnehmenden Ländern die Pflicht schulzeit endet. In jeder Runde bildet ein Kompetenzbereich den Schwer punkt, der mit zusätzlichen Fragebö gen für Schüler, Lehrkräfte, Schullei tungen und Eltern näher ausgeleuch tet wird. Zwar lag der Schwerpunkt von PISA 2022 bei Mathematik, je doch liefert die Studie auch umfang reiche Ergebnisse zum Thema Lese kompetenz, das 2000, 2009 und 2018 Schwerpunkt war. Teile der Test instrumente in den drei Kompetenz bereichen wurden seit Beginn des Programms unverändert erhalten, sodass mittlerweile langfristige und belastbare Trends berechnet werden können. Bereits 2015 wurde PISA von einer papier- auf eine computer- basierte Testung umgestellt. PISA ist, wie vergleichbare Schul leistungsstudien, als repräsentative, stichprobenbasierte Studie angelegt, die Aussagen über die Gesamtheit der getesteten Schulen, d.h. auf der Sys temebene, erlaubt. Auf der Ebene der Einzelschule sind die Ergebnisse nicht repräsentativ. PISA ist, ebenso wie der IQB-Bildungstrend oder die TIMSS- und IGLU-Studien, an denen Deutschland teilnimmt, als Quer schnittserhebung angelegt. Daher lassen die Ergebnisse zwar Aussagen über rein statistische Zusammenhän ge zu, nicht aber über Wirkungszu sammenhänge, d.h. keine Kausalaus sagen. Diese Unterscheidung ist be-

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