Blickpunkt Schule 1/2023
Ein zeitgemäßes MINT-Profil Ein ganzes Bündel an Herausforderungen W er sich mit diesemThema beschäftigt, wird mit einer Reihe von Aspekten kon • Wie soll das ’T’ für Technik in MINT unter den aktuellen Voraussetzun
experimenten in Physik. Zu oft wurde noch vor dreißig Jahren sehr lax da mit umgegangen, sodass eine stärke re Fokussierung auf Sicherheit nötig wurde. Wenn aber in der Lehrerschaft der Eindruck entsteht, die juristische Absicherung seitens der Kultusminis terkonferenz überwiege bei Weitem den zielführenden Unterricht, ist man über das Ziel weit hinausgeschossen. Der einfachste Weg für rechtlich kor rekt durchgeführten Unterricht ist nun nicht mehr selbstentdeckendes Lernen mit Hypothesenbildung und Prüfung in der Realsituation, sondern das Ausweichen auf ’Kreideunter richt’ (nun eher ’Whiteboard-Unter richt’), Simulationen und Analogien. Für die Verknüpfung von Physik und Technik kann folgendes Beispiel die nen: Vorbereitete Boxen mit 9V-Block und Steckern stellen einen sicheren und einfachen Ersatz für realistische elektrische Schaltungen dar. Die rei nen Inhalte und Kompetenzen des Themas werden damit auch schein bar vermittelt und Lehrplan bzw. Kerncurricula gymnasiale Oberstufe (KCGO) erfüllt. Spätestens beim An bringen einer Lampe zu Hause (drei Kabel? FI-Schutzschalter? Abisolie ren?) wird deutlich, dass man dank aller Vorgaben weder die Theorie ver standen hat noch in der Praxis damit umgehen kann. »So war das nie gemeint, aber ich nehme dies mit in die Arbeitsgrup pe!« Dies wird gerne von Ministerien oder Didaktikerinnen und Didakti kern geantwortet. Selbstverständlich solle man einen passenden Mittel weg finden und die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lernbiografien stünden im Mittelpunkt. Damit ist den Lehrerinnen und Lehrern bei ih rer täglichen Arbeit nicht weiterge holfen, aber die Verantwortung wur de wieder einmal an die Schulen übertragen. Diese sicherlich sehr pessimisti sche Sichtweise ist in vielen Kollegien
gen unterrichtet werden, wenn schon das ’I’ für Informatik kaum mit der vorhandenen Infrastruktur geleistet werden kann? Wer all diese Fragen für seine Schule und sich beantworten (oder erfolg reich ausblenden) kann, hat es ge schafft und vermag sich auf den ei gentlichen Hauptpunkt seines Beru fes konzentrieren, nämlich die fach spezifische Arbeit mit Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Unter richts. Alle, die ein Studium dieser Fächer abgeschlossen haben, wissen: Das Unterrichten im MINT-Bereich macht unglaublichen Spaß, seien es Flammfärbungen in Chemie, elektro statische Entladungen in Physik, Un tersuchung von Ökosystemen in Bio logie, Programmieren eigener Apps in Informatik, Nutzung von 3-D-Dru ckern zur Realisierung eigener Kon struktionen oder Optimierung in Ma thematik. Für die spannenden Er kenntnisgewinne und Freude in den Lerngruppen ist man bereit, viele Hürden zu meistern oder zu umge hen, sonst bliebe nur Resignation. Seit der Fachkräftemangel und die Relevanz von Mathematik, naturwis senschaftlichem Verständnis und der Digitalisierung immer stärker im Fo kus der Öffentlichkeit stehen, soll der MINT-Bereich immer wieder und immer schneller neu gedacht und re formiert werden. Hierbei treffen Wunschvorstellung von Gesellschaft, Didaktik, Elternschaft und Politik auf die Realität der Schule. Deutlich wird dies am Beispiel der RiSU (’Richtlinie zur Sicherheit im Unterricht’), die eine wichtige Frage aufwirft: Wie kann man die Sicherheit aller Schülerinnen und Schüler im na turwissenschaftlichen Unterricht ge währleisten? Vorbei sind die Zeiten mit Brom in der Chemie, Experimen ten mit Koffein in Blindverkostung in Biologie oder Starkstrom bei Schüler
frontiert. Diese haben an jeder Schu le, je nach Schulort und -form, ein an deres Erscheinungsbild, einige typi sche Fragestellungen seien hier exemplarisch aufgeführt: • MINT-EC oder MINT-freundliche Schule oder besser gleich beides? • Eng genug verzahnt mit der regionalen Industrie und den Hoch schulen? • NaWi als Fach oder doch Biologie, Chemie und Physik als getrennte Fächer? • Gibt es passende außerschulische Lernorte, wie den Fluss nebenan oder ein Mitmachmuseum? • Ist es möglich, alle Schülerinnen und Schüler durch besondere Ange bote zu motivieren, sich mit MINT Themen zu beschäftigen? Auf wel che Gruppe konzentriert man mög lichweise die sehr stark begrenzten Ressourcen? • Sind für einen guten Experimental unterricht alle nötigen Geräte funk tionsfähig und die Chemikalien ausreichend vorhanden? • Funktioniert die Ausstattung der Fachräume (Energieversorgung, Abzüge, Computerhardware)? • Sind die geplanten Experimente unter Beachtung aller Gefahren betrachtungen der RiSU überhaupt noch durchführbar? • Passen die geplanten mathemati schen Unterrichtsinhalte zu der für den jeweiligen Jahrgang zugelas sen (oder aktuell noch nicht zuge lassenen) Taschenrechnertechno logie? • Welche praktische Relevanz hat die Unterrichtsreihe, hilft sie bei der Steuererklärung oder der Geldanla ge, einem BWL- oder einem Medi zinstudium, einer Ausbildung oder immerhin den verschiedenen zen tralen Abschluss- oder Aufnahme prüfungen?
MINT – Ideal und Wirklichkeit
10
SCHULE
Made with FlippingBook flipbook maker