Bildung aktuell 6/2022

Thema

bereits vereinzelt Konzepte des ‘digital classroommanagements’ angewandt, also digital überwachten Schülerverhaltens, das in Echtzeit der Lehrkraft zurückgemeldet wird. Da ist ethisch wie auch pädagogisch eine Grenze überschritten. Sie unterscheiden in IhremGut achten zwischen demDiskurs über Digitalisierung und demPhäno men der Digitalisierung selbst. In diesemZusammenhang kritisieren Sie die Verwendung des Begriffs der ‘digitalenWelt’, da er einen offenen, demokratischen Diskurs verhindere: Erläutern Sie doch bit te kurz, wie Sie sich einen solchen offenen Diskurs über den digitalen Wandel in Gesellschaft und Schule vorstellen! Dammer: Zunächst möchte ich noch eine knappe Erläuterung geben zum Zusammenhang des Begriffs ‘digita leWelt’ und der Verhinderung eines offenen Diskurses: Ich unterscheide zwischen Diskurs und Phänomen. Wennman imDiskurs von ‘digitaler Welt’ spricht, suggeriert man, die Welt sei an sich schon digital, was dann wiederumdie Implikation hat, dass man eigentlich keine andere Wahl hat, als den Forderungen nach Digitalisierung zu folgen und sich in diese digitaleWelt zu begeben. Da mit würde dann der Diskurs über flüssig. DieWelt ist aber nicht digital. Sie ist biologisch verfasst. Es steckt also schon eine Strategie dahinter so vorzugehen, damit sozusagen nie mand auf die dumme Idee kommt,

kritische Nachfragen zu stellen. Nun zumgeforderten offenen Diskurs: Wir haben in unserer Gesellschaft ausreichendmediale, politisch-for male und auch weniger institutiona lisierteWege uns offen über zentrale Fragen der Gesellschaft auszutau schen. Die Frage wäre für mich eher, warumdieseMöglichkeiten bei der zentralen Frage der Digitalisierung von Schulen nicht in breiteremMaße genutzt werden. Hier wäre vor allem darauf zu schauen, inwiefern alle am Diskurs Beteiligten/von der Digitali sierung Betroffenen die gleichen Möglichkeiten haben, ihre Argu mente ungehindert und ohne He rabsetzung (zumBeispiel ‘die ewig Gestrigen’) einzubringen und gehört zu werden oder ob sich Deutungs- und Diskurshoheiten herausgebildet haben. Eine zweite grundsätzliche Frage wäre hier, wer auf welchem Wege undmit welcher Befugnis faktisch die zentralen Richtungsent scheidungen fällt. Insofernmuss dann auch ein Richtungspapier wie das Impulspapier II zur Debatte ge stellt werden. Ganz imSinne der Verantwor tungsethik von Hans Jonas erwar ten Sie eine Technikfolgenab schätzung der Digitalisierung insbesondere für den schulischen Kontext, um kritisch reflektiert in Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung die entsprechenden Innovationen selbstbestimmt steuern zu können: Benennen Sie doch bitte mal sol

QR-Codes & Links zumBeitrag Gutachten https://phv-nrw.de/2022/ 09/30/gutachten-die- digitale-welt-im-diskurs /

INFO

Impulspapier https://www.schulministe rium.nrw/impulspapier-2 zentrale-entwicklungs- bereiche-des-lernens

KMK-Papier https://www.kmk.org/filead min/veroeffentlichungen_ beschluesse/2021/2021_12_ 09-Lehren-und-Lernen- Digi.pdf

che möglichen Grenzen im schulischen Kontext, soweit Sie diese absehen können!

Dammer: Mir ist klar, dass das eine idealistische Forderung ist, da Erzie hung ein offener und nicht determi nierbarer Prozess ist, solangeman mehr anstrebt als Konditionierung. Insofern sind Folgen nur sehr bedingt abschätzbar. Außerdemreiben sich grundsätzlich der stets (zeit-)aufwän dige Prozess der Folgenabschätzung mit demerzeugten Innovationsdruck. Daher ist hier Technikfolgenabschät zungweniger konkret methodisch als Prüfungsinstrument zu verstehen, sondern als, wie Sie andeuten, Aus

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