Bildung aktuell 1/2022

Schule & Beruf

Prüfungskultur innovativ Während der Pandemie im vergangenen Schuljahr standen viele Schulen in Nordrhein-Westfalen vor großen organisatorischen Herausforderungen, Klassenarbeiten und Klausuren durchzuführen. Mitunter wurden Schülerinnen und Schüler nur für diesen Zweck aus demWechselunterricht in die Schulen bestellt. Das MSB hatte damals auf diese Probleme reagiert, die Anzahl der obligatorischen Klassenarbeiten reduziert und vorübergehend auch alternative Prüfungsformate als Ersatz zugelas- sen. Bekanntlich hatte die APO-SI in Nordrhein-Westfalen schon vor der Pandemie dieMöglichkeit eröffnet, einmal imSchuljahr eine Klassenarbeit in Ausnahmefällen auch mit einer gleichwertigen nicht schriftlichen Leistungsüberprüfung zu ersetzen.

Davon fühlten sich nunmanche Lehrkräfte ermutigt, im Internet (pruefungskultur.de) alternative, auch digitale Prüfungsformate zu veröffentlichen, wie zumBeispiel ta- ke home exam, open book Klausu- ren oder dieMaster-or-Die Klausur, und diese als ‘zeitgemäß’ zu propa- gieren. In der Tat scheinen diese al- ternativen Prüfungsformate den Anforderungen des sogenannten 4K-Modells zu entsprechen und insofern wissenschaftspropädeu- tisch zu sein, als auch an Universitä- tenmittlerweile open book Klausu- ren geschrieben werden. Dennoch zeigen sich rasch die Schwächen dieser alternativen Prü- fungsformate. Wie kann die Eigen- ständigkeit der Leistung gewährleis- tet werden, wenn Schülerinnen und Schüler die Klassenarbeit unbeauf- sichtigt zu Hause anfertigen? Dies ist auch eine Frage der Bildungsge- rechtigkeit, weil die Schülerinnen und Schüler zu Hause stark unter- schiedliche technische Vorausset- zungen vorfinden und unerlaubte Hilfestellung abhängig vomBil- dungsstand der Geschwister und Eltern erhalten könnten. Wie steht es umdie Vergleichbarkeit der Leis- tung, wenn jeder Schüler und jede Schülerin eine individuell unter-

schiedliche Aufgabe erhält? Damit schei- nen diese Formate nicht konform mit der in Nord- rhein-Westfalen derzeit gültigen APO-SI bzw. APO–GOSt zu sein.

■ die Klärung der rechtlichen Voraussetzungen und Anforderungen ■ die Klärung der technischen Anforderungen ■ die Entwicklung von daten- schutzkonformen Verfahren zur digitalen Durchführung und Archivierung von Leistungs- erhebungen ■ die Erarbeitung von Verfahren zur validen Beurteilung von Leistun- gen bei kooperativen undme- diengestützten Aufgaben. Carsten Hütter

Umso wichtiger erscheint es daher, die Rechtskonformität dieser For- mate, insbesondere für dieQualifi- kationsphase der gymnasialen Oberstufe, zu überprüfen und auch in Zukunft bei alternativen Aufga- benformaten klare und vergleichba- re Kriterien der Leistungsmessung zu gewährleisten. Das Land Bayern lässt nun von einer demStaatsministerium für Unter- richt und Kultus angegliederten Stiftung ‘Bildungspakt Bayern’ in ei- nemSchulversuch ‘Prüfungskultur innovativ’ digitale Aufgabenformate entwickeln, bei denen die Schüle- rinnen und Schüler auch kooperativ mit digitalenMedien arbeiten. Der Schulversuch findet unter anderem auch an fünf Gymnasien bis zum Ende des Schuljahres 2022/23 statt. Die Handlungsfelder dieses Schul- versuches umfassen dabei

INFO

Wir werden diesen Schulversuch aufmerk- sambegleiten und die Leserinnen und Leser

von ‘Bildung aktuell’ in einer zukünf- tigen Ausgabe über die Zwischener- gebnisse des Schulversuchs infor- mieren, deren Veröffentlichung für Frühjahr 2022 geplant ist.

.21

Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online